Dispersions-Wandfarbe

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andreaheymer
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Dispersions-Wandfarbe

Beitrag von andreaheymer »

Liebe Fachleute,

ich brauche dringend Rat:
Wir haben seit 11 Jahren ein Zweiständer-Fachwerkhaus und machen es teilweise mit Hilfe aber fast ausschließlich alleine wieder bewohnbar. Nun hatten wir vor einem Jahr die erste Wohnung fertig (3 sollen es sein, in einer fast fertigen wohnen wir selbst) und haben sie an ein junges Paar vermietet.
Denen gefiel die Farbe in der Küche nicht (Lehmfarbe auf Lehmfeinputz auf Fachwerkwänden, mühsam von uns aufgebracht), uns so haben sie diese (und leider auch die farblich gleichen Fugen der Fliesenspiegel) mit Dispersions-Wandfarbe [Alpina LivingStyle COMPOSITION, Inhaltsstoffe Polyvinylacetat-Dispersion, Titandioxyd, Buntpigmente, Silikate, Calciumcarbonat, Methylisothiazolinon/Benzisothlazolinon] übergestrichen. >:(
Ich habe im Mietvertrag extra die Verwendung ökologischer Farben drin und habe ihnen vorher auch gesagt, dass da Lehmfarbe drauf soll- und ich sie sogar bezahlen würde, eben um Schlimmeres zu verhindern. Sie aber waren bei Praktiker, und Praktiker hat gesagt, da kann gut Dispersionsfarbe drauf. Nach meinem heftigen Protest waren sie dann noch mal bei besagtem Baumarkt, und der hält das nach wie vor für eine gute Lösung, die Farbe wäre diffusionsoffen laut Herstellerdeklaration, und es wäre alles in Ordnung. ::)

Meine Suche nach Dispersion war in diesem Forum erfolglos, von daher die Bitte an alle Fachkundigen um Rat:
Hat die Lehmwand nun noch ihre ursprüngliche Eigenschaft? Muss die Farbe komplett entfernt werden, wenn wieder Lehmfarbe an die Wand soll? Wenn ja, läßt sie sich überhaupt schonend entfernen, oder müssen wir abschaben und neu verputzen?

Ich käm ja nie auf die Idee, in einem "traditionellen Baumarkt" nach Farbe für Lehmwände zu fragen, aber nu ist das Problem da...
Alle anderen Wände im Haus haben Lehmputz, Lehmfarbe oder selbst angerührte Kalk-Kaseinfarbe oder Tapete auf Lehmputz.

Danke im voraus...

Andrea
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forenadmin
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Re: Dispersions-Wandfarbe

Beitrag von forenadmin »

Hallo Andrea,

zu Deiner Frage kann ich leider nicht viel beitragen. Das überlasse ich lieber den "Chemikern" hier im Forum.

Dennoch und nichts desto trotz, herzlich Willkommen hier im Forum, viel Spaß und Erfolg!


Viele Grüße
Thomas
Gruß
Thomas Schomburg
salinodg
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Re: Dispersions-Wandfarbe

Beitrag von salinodg »

... da hammers mal wieder - die totale Inkompetenz der Baumärkte.
Bei mir ist es mittlerweile ein Hobby geworden, in den Farbabteilungen mit unschuldigem Gesicht nach Erklärungen für irgendwelche Fachbegriffe zu fragen. Es führt regelmäßig zum Ablachen - aber erst vor der Tür ;D

Zum Thema: Die reine Bezeichnung "diffusionsoffen" sagt erst einmal überhaupt nichts - das sagen aber fast alle Hersteller.
Entscheidend ist der sog. sd-Wert.

Nach DIN EN 1062-1 ist die Wasserdampfdurchlässigkeit von Wandbeschichtungen in drei Klassen unterteilt worden:

Niedrig durchlässig: größer 1,4
Mittel durchlässig: 1,4 - 0,14
Hoch durchlässig: kleiner 0,14

Zu den hochdurchlässigen zählen z.B. Kalk- und Leimfarben, die je nach Auftragsstärke einen Wert um 0,02 - 0,05 haben können. Dispersionsfarben haben i.d.R. Werte größer 0,5 und zählen damit zu den mittel oder sogar niedrig durchlässigen. Wird kein sd-Wert angegeben, ist auf jeden Fall Vorsicht geboten. Hier wird auch noch häufig getrickst, und es werden Werte der feuchten farbe genannt. Dispersionsfarben haben aber die Eigenschaft, filmbildend aufzutrocknen - und dann geht da kaum noch etwas durch.

Das deutsche Gesetz verbietet es auch nicht, das berühmt-berühmt berüchtigte Styr*** diffusionsoffen zu nennen.

Die Lehmwand hat jetzt nicht mehr die ursprünglichen Eigenschaften, da die Funktion, Feuchtigkeit aufzunehmen (gerade in Bad und Küche), behindert oder blockiert ist - das Raumklima wird versaut und ggf. auch eine Schimmelbildung gefördert.

Wenn wieder Lehmfarbe drauf soll, muß wohl oder übel die Dispersionsfarbe runter - vielleicht mal mit einer Farb-(Lack-)Fräse probieren.

Viel Erfolg

Bernd
Dietrich Maschmeyer
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Re: Dispersions-Wandfarbe

Beitrag von Dietrich Maschmeyer »

Es ist leider so, wie Salinodg schreibt. Das Schlimmste: Die Farbe muss spätestens beim Auszug der Mieter wieder runter, und dann ist die Oberfläche im Eimer. Hoffentlich habt Ihr eine Mietkaution erhalten: Die könnt Ihr erst mal beschlagnahmen und verlangen, dass das Ganze wieder in den Ursprungszustand versetzt wird.

Ich hoffe auch, dass Ihr im Mietvertrag eine eindeutige Regelung getroffen habt. Und Lehmfarbe ist Lehmfarbe. Da kann man nicht einfach was anderes draufpinseln. Aber vor Gericht wird es dabei, da muss man ehrlich sien, sehr darauf ankommen, wie das formuliert ist. Taucht da die Bezeichnung "oder gleichwertig" oder eine ähnlich relativierende Beschreibung auf, wirds kritisch. Noch besser ist die übliche gesetzliche Regelung der Schönheitsreparaturen (d.h., sie obliegen dem Vermieter). Bei mir im Haus haben die Mieter ein Renovierungsverbot - nicht zuletzt wegen mühsam wiederhergestellter maserierter Holztüren! Ich kann das allen Besitzern von vermieteten Wohnungen mit wertvoller Innenausstattung nur dringend empfehlen. Der entsprechende Aufschlag auf die Miete dürfte von verständigen Mietern problemlos akzeptiert werden.
salinodg
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Re: Dispersions-Wandfarbe

Beitrag von salinodg »

Vielleicht noch schnell ein paar Zusatzinfos zum sd-Wert wegen der allgemeinen Bedeutung

Die Berechnung ist: sd = µ x d

µ ist ein dimensionsloser Wert, der jedem Material zugeornet ist: z.B. hat Luft den Wert 1, Holz hat ca. 40, Hartschaum je nach Dichte zwischen ca. 40 und 100.

d ist die Stärke (Dicke) in Metern.

Eine 5 cm starke Holzbohle hat demnach einen sd Wert von: 40 x 0,05 = 2 und ist damit nach neuer DIN EN niedrig durchlässig.

Die Klassifikation der neuen sd-Werte ist m.E. zu industriefreundlich. Nach älteren Konventionen galt ein Wert größer 0,5 als diffusionshemmend.
andreaheymer
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Re: Dispersions-Wandfarbe

Beitrag von andreaheymer »

Liebe Helfer,

ganz herzlichen Dank für eure Antworten. Sie waren ausserordentlich hilfreich und haben mich bei weiteren Recherchen sehr unterstützt. Durch die darin enthaltenen Stichwörter bin ich über eine andere Forumsdikussion gestolpert, die ich dann eher Kopf schüttelnd wieder verlassen habe. Wer mit schütteln möchte:

http://www.fachwerk.de/wissen/farbe-anstrich-51912.html

Die grundsätzliche Weltanschauung erzeugt eben doch die Meinung.

Dann eine Korrektur: Es war nicht Praktiker, sondern (der) Hammer. Nomen est Omen?
Asche auf mein Haupt. Könnte daran gelegen haben, dass die beiden bei uns einträchtig nebeneinander existieren...

Ansonsten für alle mit Interesse an dem Thema meine bislang dazu gewonnenen Erkenntnisse:
1) Bei vielen Malern und Farbherstellern ist Dispersionsfarbe = Latexfarbe. Das hat mich nun erschreckt. Latexfarbe war für mich bislang absolut indiskutabel- und es hat sich daran nicht wirklich etwas geändert in der letzten Woche.
2) Die Firma HASIT ist die einzige Firma, von der ich Datenblätter im Internet gefunden habe, die brauchbar sind. Dort ist für Lehmfarbe ein sd-Wert von 0,02m angegeben. Ausserdem geben sie in Ihren Übersichtstabellen an, dass sich aus ihrer Produktpalette nur Silikat Innenanstrich, Malerweiss und Lehmfarbe für den Untergrund Lehmputz eignet. Selbst die eigene Dispersionsfarbe halten sie dafür für ungeeignet.
3) Lehmputz ist für Baumärkte nur erträglich, wenn glatte Chemie drauf kommt, damit das Ganze wieder pflegeleicht und wischfest ist.
4) Interessant fand ich die Versuche zur Durchlässigkeit. Ich denke, ich werde das meinen Mietern mal anhand von Beispielstücken demonstrieren. Zwei gleichgroße Stücke Holz, an allen bis auf einer Seite mit wasserundurchlässigem Lack, an einer großen Seite jeweils einmal mit Lehmputz und Lehmfarbe und dann mit Lehmputz und ihrer Dispersionsfarbe. Darauf kommt dann jeweils ein Schwamm, auf den jeweils die selbe Menge Wasser getröpfelt wird. Gewichtsvergleich vorher / nachher müsste eigentlich deutlich machen, dass abwaschbar und Diffusionsoffen irgendwie nicht zusammen passen. Hoffe ich jedenfalls...
Wer also je im Zweifel sein sollte, was für Farbe er/sie da hat und welche besser ist- dieser Test und ggf. eine Schnüffelprobe könnten auch weiterhelfen. Versuch macht klug.
5) Irgendwo hab ich auch den Hinweis gefunden, dass eine Abdichtung mit Film bildenden Farben mit entsprechend dichter Struktur die aufgetretenden Rußphänomene (plötzliche Bildung von Rußschichten auf allen Gegenständen in der Wohnung) unterstützen sollen. Leider hab ich den link nicht gesichert. Vorstellen kann ich es mir aber.

Und im nächsten Mietvertrag steht ausdrücklich ein Verbot jeder anderen ausser Lehmfarbe an unseren Lehmwänden!!!

Grüsse und nochmals danke

Andrea
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Ralf Femmer | KS Freiberg
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Re: Dispersions-Wandfarbe

Beitrag von Ralf Femmer | KS Freiberg »

....also ich musste irgendwann aufhören zu lesen.
Aber danke für den Tipp. ;D
Äußerungen im Forum sind lediglich allgemeine Betrachtungen und daher reine Meinungsäußerungen. Bei Rechtsfragen wird in jedem Fall eine Beratung durch einen Rechtsanwalt empfohlen, bei Sanierungsproblemen eine Einzelberatung durch einen Sachkundigen vor Ort.
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