Jute einarbeiten - die geniale Idee eines Handwerkers

Fachgerechte Arbeiten, Materialien und Verfahren
Ulrike Nolte
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Jute einarbeiten - die geniale Idee eines Handwerkers

Beitrag von Ulrike Nolte »

Hallo zusammen,

kennt ihr das?: Jute soll in den Lehmputz eingearbeitet werden und das will einfach nicht so recht gelingen. Man bleibt beim Andrücken mit der Traufel in den groben Maschen hängen, zieht das Gewebe beim Abspachteln wieder ab und an der Decke wird es erst recht problematisch.

Heute war bei uns Tag 1 der Versuche. Unser Lehmbauer machte sich an die Arbeit, ich assistierte. Die erste Wand war eine Herausforderung an unsere Nerven, es dauerte ewig bis das Gewebe endlich sauber verspachtelt an der Wand war. Der nachfolgende Deckenabschnitt weigerte sich beharrlich, die Jute an sich ran zu lassen. Ich war schon so weit, die Versuche abzubrechen in der Hoffnung, dass da schon nichts reißen wird. Aber Andreas, der Lehmbauer, sagte, dass ich ohne Armierung damit rechnen muss irgendwann Risse im Putz zu haben: "das Haus ist ständig in Bewegung".

Etwas anderes als Jute kommt aber nicht in Frage. Was tun? Der Vormittag war schon vorbei und nur eine Wand war fertig. Das wird ganz schön teuer ...

Trotz der unglaublichen Hitze kam Andreas schließlich der Geistesblitz: Ob ich eine Tapetenrolle hätte. Ich habe, aber wo? - in irgendeinem Karton im Lager. Schließlich wollte ich niemals mehr Tapeten an die Wände kleistern. Ich setzte mich ins Auto und besorgte ihm die Rolle.

Sehr gespannt schaute ich mir den nächsten Versuch an.

1. Bild: Andreas zieht etwa einen halben Zentimeter Putz auf
2. Bild: Die Jute wird mit der Rolle in den nassen Putz gedrückt
3. Bild: Fast geschafft
4. Bild: Die Jute wird eingespachtelt

Das ganze restliche Raum war am Nachmittag erschlagen, die Methode ist kinderleicht (ich hab es selbst ausprobiert  ;D ) und das Ergebnis sieht sehr gut aus. Durch das Andrücken mit der Rolle zieht man gleichzeitig etwas Putz an die Oberfläche, wodurch das Gewebe fest und ohne Blasen an der Wand sitzt. Das Einspachteln wird enorm erleichtert.

Nachahmung wird empfohlen  :)

Grüße
Ulrike
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Stefan Haar
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Re: Jute einarbeiten - die geniale Idee eines Handwerkers

Beitrag von Stefan Haar »

Beim Einarbeiten mit einer Zahnkelle hatte ich eigentlich nie Probleme - und dabei wird sogar noch mehr Lehm dürch das Gewebe gedrückt.
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Re: Jute einarbeiten - die geniale Idee eines Handwerkers

Beitrag von Ulrike Nolte »

@Stefan

Und wie lange brauchst Du, um ca. 60 qm inkl. Balkendecke zu erschlagen?

Mit seiner genialen Idee wird unser Lehmbauer ca. 8 Std. brauchen, inkl. Einspachteln und glatt ziehen, inkl. Decke. Das heißt, dass der komplette Raum dann für den Schlußputz vorbereitet ist.

Zur Traufel- oder Kellenmethode ist das eine enorme Zeitersparnis. Das geht so schnell wie Tapezieren. Und man kann mit größeren Bahnen arbeiten, für die Decke muss man allerdings zu zweit sein.

Grüße
Ulrike
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Re: Jute einarbeiten - die geniale Idee eines Handwerkers

Beitrag von Stefan Haar »

Eigentlich wollte ich noch nie eine Balkendecke erschlagen  ;D

Ehrlich gesagt, hätte ich wohl meine Probleme in 8 Stunden 60 m? Lehmputz in der Konsistenz an die Wand zu bringen, dass ich parallel dazu auch noch das Gewebe kurz einarbeiten könnte.

Problem beim Jutegewebe ist m.E., dass es sich beim Trocknen so fürchterlich spannt. Daher habe ich mich zwischenzeitlich mental an das grobmaschige Kunststoffgewebe gewöhnt - und das ist dann auch für Anfänger ratzifatzi über volle Wandlänge mit der Zahnkelle eingearbeitet.
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Re: Jute einarbeiten - die geniale Idee eines Handwerkers

Beitrag von Ulrike Nolte »

Lieber Stefan,

diesen Widerspruch werde ich wohl nie verstehen - da wohnt man in einem Lehmhaus und kleistert sich die Wände mit Plastik zu.

Es ist bemerkenswert, dass unser Lehmbauer meinen Jutetick akzeptiert hat und dazu auch noch Einfälle zur Arbeitserleichterung und Ersparnis produziert.

Grüße
Ulrike

PS: Welcher Nachteil entsteht denn, wenn die Jute nach dem Trocknen spannt? Sie wird doch trocken und locker (ungespannt) eingearbeitet.
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Re: Jute einarbeiten - die geniale Idee eines Handwerkers

Beitrag von Stefan Haar »

Ich hab schon Fälle gesehen, bei denen sich die Jute dadurch zur Trennlage entwickelt hat ... vielleicht war's aber auch nur technisch unsauber verarbeitet.
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Re: Jute einarbeiten - die geniale Idee eines Handwerkers

Beitrag von Ulrike Nolte »

???

Wie das denn? Lehm haftet an den Jutefasern, geht eine Verbindung mit ihnen ein. Mit Plastik funktioniert das nicht.

Ich habe übrigens gestern versucht, einen heraushängenden Faden abzureißen. Der Lehm hatte schon angezogen - ich musste eine Schere holen weil sich der Faden nicht abreißen ließ. Der Lehm hielt bombenfest.

Das Gewebe muss natürlich vollständig an der Wand anliegen, gerade in den Ecken. Wir sprühen die Wände reichlich ein, damit die nächste Schicht gut haften kann. Außerdem wurde der Unterlehm rauh aufgezogen, bildet also keine glatte Oberfläche. Dadurch trocknet er auch besser.

Grüße
Ulrike
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Re: Jute einarbeiten - die geniale Idee eines Handwerkers

Beitrag von Stefan Haar »

Wir arbeiten im Regelfall mit einer Maschenweite von ca. 10 mm - da quillt der Lehm gut durch und muß auch gar nicht zwingend eine Verbindung mit dem Gewebe eingehen. Wie gesagt ... ich mußte mich auch erst einen Moment an den Gedanken gewöhnen, aber letztendlich hat das Gewebe für mich keinerlei negative Einflüsse und ist daher akzeptabel, wenn sich dadurch GEld sparen läßt, das ich dringender für andere DInge benötige. Purist zu sein hat schon was reinrassiges, aber manchmal kommt man als Pragmatiker einfach ein ganzes Stück weiter.

Das Thema Betonsohle - ja oder nein - läßt sich genauso kontrovers diskutieren. Nichts gegen kapillarbrechende Schotterpackungen und Schaumglasschotter, aber eine Betonsohle hat für mich insbesondere während der Bauphase erhebliche Vorteile gegenüber einem klassischen, diffusionsoffenen Aufbau. Allerdings wäre ich mit meiner Hütte ohne Betonsohle auch schon längst abgesoffen. Es gibt Situationen, da geht es einfach nicht ohne.
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Re: Jute einarbeiten - die geniale Idee eines Handwerkers

Beitrag von Ulrike Nolte »

Lieber Stefan, wo Du Recht hast, kann ich Dir einfach nicht widersprechen  ;D

Aber ich muss mich ja später auch in unserem Haus wohlfühlen, mit Beton und Plaste hätt ich da ein paar unwesentliche Probleme  ::)

150 qm Jute, ca 10x10 mm Maschenweite kosteten 120 ?, ich hab das Material bei meinem Stofflieferanten gefunden. Glasfasergewebe kostet fast das Doppelte (bei Conluto), woanders ist es vielleicht günstiger zu haben. Mit der Tapezierrollenmethode bekomme ich das auch hin, mit dem Zahnspachtel oder der Traufel hatte ich keinen Erfolg. Ich schaffe zwar auch keine 60 qm/Tag, aber das ist auch nicht so wichtig.

Wenn wir es "billig" haben wollten, hätten wir uns kein Fachwerkhaus zulegen dürfen, sondern ein Haus von der Stange kaufen müssen. Dann wären wir in 3 Monaten fertig gewesen und könnten nun sämtliche gute Bauchemie ertragen. Lehm und Lehmsteine sind auch keine "billigen" Materialien, außer man hat ne eigene Lehmgrube und kann alles selbst machen.

;D  ::)

Liebe Grüße
Ulrike
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Re: Jute einarbeiten - die geniale Idee eines Handwerkers

Beitrag von Ralf Femmer | KS Freiberg »

Sehr interessante Diskussion, aber wofür soll das flächige Aufbringen von Gewebe (welches auch immer) im Haus nötig sein?
FG
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Re: Jute einarbeiten - die geniale Idee eines Handwerkers

Beitrag von Stefan Haar »

Es reduziert die Gefahr von Rissen im Bereich überputzter Fachwerkhölzer, Kabelstränge und Heizschleifen erheblich. Wenn das FAchwerk unter dem dicken Lehmputz wieder durch Zurücktrocknen schrumpft, kann es erhebliche Spannungen im Lehmputz geben, die dann spätestens nach dem Anstrich unangenehm in Form von Rissen sichtbar werden.

Bei einem homogenen Material als Putzuntergrund wäre das Gewebe m.E. nicht erforderlich.

Sonnige Grüße aus angenehm kühlem Büro  :D

Stefan
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Re: Jute einarbeiten - die geniale Idee eines Handwerkers

Beitrag von Ulrike Nolte »

Hallo Stefan,

wie verstehe ich denn das jetzt richtig?: "Bei einem homogenen Material als Putzuntergrund wäre das Gewebe m.E. nicht erforderlich."

Heißt das etwa, dass wir uns die Mühe sparen können?

Grüße aus einer viel zu warmen Wohnung.
Ulrike
Reini
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Re: Jute einarbeiten - die geniale Idee eines Handwerkers

Beitrag von Reini »

Hallo Ulrike,
eigentlich verhält es sich mit dem Gewebe ähnlich wie mit der Fliseinlage bei GK - Platten. Überall dort wo verschiedene Bauteile und Baustoffe aneinandergrenzen sollte man ein Gewebe (Ziegeldraht, Maschendraht, Jute etc.) einbauen.
Ganzflächig ist es nicht notwendig, es sei denn man hat eine z.b. mit Brettern verschlagene Decke oder Wand.

Gruß, Reinhard
Ulrike Nolte
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Re: Jute einarbeiten - die geniale Idee eines Handwerkers

Beitrag von Ulrike Nolte »

Danke Reinhard,

warum heißt es dann allerorten, dass man das Gewebe vollflächig einputzen soll? Wenn man die großen Lehmhersteller fragt, die empfehlen vollflächig. Ist das wieder so eine Geldschneiderei oder reine Vorsicht?

Davon abgesehen habe ich an den Wänden, an denen noch der Altlehm dran ist, keine Risse entdecken können. Weshalb ich schon zweifelte ob das alles so sein muss. Der neu aufgezogenen Unterlehm ist ja nun auch schon vollkommen durchgetrocknet.

Ich arbeite ja nicht ungern, aber wo es sich vermeiden läßt ...

Gruß
Ulrike
Reini
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Re: Jute einarbeiten - die geniale Idee eines Handwerkers

Beitrag von Reini »

Hallo Ulrike,
ich denke, als Hersteller muss man sich gegen alle möglichen Eventualitäten absichern, drum empfiehlt man lieber grundsätzlich eine Gewebeinlage - wie du schon sagst, sicher ist sicher.

Be uns sind jedenfalls alle Risse dort entstanden, wo sich Bewegungen in der Konstruktion ergeben, vorwiegend in Bereichen zwischen Ständern und Wandflächen (unabhängig ob Lehmputz oder Kalkzementputz). Ich glaube aber auch, dass sich Risse nie ganz vermeiden lassen.  Ich kann damit leben.

Gruß, Reinhard
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