Dämmung der Zerrbalkenebene

Fachgerechte Arbeiten, Materialien und Verfahren
ulanehm
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Dämmung der Zerrbalkenebene

Beitrag von ulanehm »

Hallo,

Ich melde mcih als gelegentlicher Leser, Mitglied und "erfahrener" Denkmaleigentümer. Ich hoffe, die Praktiker können mir einige hilfreiche Tipps geben.
Es handelt sich um ein Haus aus dem Jahre 1439(d) mit sehr weitgehend erhaltener Substanz, in dem die Wohnung 2.OG wegen Neuvermietung renoviert werden soll. Die Installationen stammen i.d.R. aus den 50 Jahren, so daß hier einiges verbessert werden muss. Das konkrete Problem ergibt sich aus der Heizung: Bisher Gaseinzelöfen, jeweils in der Raummitte installiert, die jetzt durch eine Etagenheizung ersetzt werden sollen. Gleichzeitig werden die Fenster raumseitig gedichtet bzw. die nicht mehr renovierbaren ersetzt durch neue Fenster.´  Die Decke bildet die Zerrbalkenlage mit Lehmschlageinsatz, die sichtbaren Oberflächen sind z.T offenliegende Lehmschlagoberflächen (ca15m?) z.T verputzt mit Schilfmatten/Gips (ca.40m?) z.T abgehängte Konstruktionen mit Gipskartondecken (ca. 40m?). Oberhalb des Lehmschlag findet sich eine unregelmäßig dicke Schicht aus Löschsand (2.W-Krieg) und "Dreck", Stärke 0-15cm, darüber liegt der Laufbelag aus Dielenbretter. Das Dach ist ein Kaltdach (Lattung und Ziegel).
Folgende Frage stellt sich:
Ist es sinnvoll, auf den Lehmschlag isolierende Schichten aufzubringen? Wie sollte das dann aussehen: Dampfbremse , dann möglichst diffusionsoffene Isolation (zB. Hanfmatten, Holzfasermatten, Liapor 8/16,´  o.ä.)?
Bedenken habe ich wegen der Kondensation von Raumfeuchtigkeit im Lehmschlag oder der Isolierung.

Unser Ziel wäre eigentlich, die Decke möglichst unverändert zu lassen, aber eine zumindest partielle Verbesserung der Wärmedämmung zu erreichen. Neubaustandard muss das ja nicht sein. Konstruktive Eingriffe verbieten sich, da sonst umfangreiche statische Maßnahmen notwendig werden ( nicht finanzierbar (die Reserven sind von der Sanierung des Vorderhauses aufgezehrt)

Ich bin für alle Tipps offen.
Danke für die Hilfe
UE
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Stefan Haar
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Re: Dämmung der Zerrbalkenebene

Beitrag von Stefan Haar »

Hallo,

ich würde in diesem Fall vermutlich eine Dampfbremspappe verlegen und darüber mit einer Hanfschäben-Schüttung arbeiten. Die Laufebene aus Rauhspund kann dann entweder auf nivellierten, aufgebockten Konstruktionshölzern oder auf einer "schwimmenden" Kreuzlattung aufgebracht werden. Feuchtetechnisch dürfte dann eigentlich nichts schief gehen.

Um die Dämmung nicht gleich zum Mäuseparadies werden zu lassen, sollte ringsum eine Abschirmung aus Lehmsteinen oder Holzbrettern nicht vergessen werden.

Heizungstechnisch würde ich versuchen mit einer Hüllflächentemperierung zu arbeiten. Bauphysikalisch dürfte dies aus meiner Sicht die vernünftigste Variante sein. Unter dem Thema "Wandheizung" ist hier im Forum ja schon eine ganze Menge diskutiert worden.

Gruß  Stefan
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christianosterer
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Re: Dämmung der Zerrbalkenebene

Beitrag von christianosterer »

Hallo Stefan!
Was ist eine Hanfschäben-Schüttung?
vg
christian osterer
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Stefan Haar
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Re: Dämmung der Zerrbalkenebene

Beitrag von Stefan Haar »

Hallo Christian,

bevor die Hanfschäben als Baustoff "entdeckt" wurden, fanden sie vorwiegend als Pferdeboxeneinstreu Verwendung.

Zum Nachlesen, damit ich mir hier keinen Wolf schreiben muss folgender Link: http://www.hanffaser.de/Bau/index.htm. Hier sind die wesentlichen Punkte unter Lehmschüttung beschrieben. Der Zusatz des Lehms als Bindemittel ist sicher sinnvoll und macht die Schäben zum zugelassenen Baustoff, macht die Angelegenheit aber natürlich wieder teurer. Im unbehandelten Zustand liegt meines Wissens leider keine Zulassung als Baustoff vor. Da das Material aber auch ohne Wasserglas- oder Lehmummantelung bereits schwer entflammbar und resistent gegen Schädlinge ist, habe ich das Material in Abstimmung mit den Bauherren bisher schon mehrfach erfolgreich als Dämmschüttung in der Dachgeschossebene oder als Dämmung unter Fliessestrich im EG eingesetzt (als Ersatz für PS-Platten)

Dazu kommt, dass die Schäben als Schüttung deutlich leichter verarbeitbar sind, als die Hanffaserdämmung.

Herzliche Grüße

Stefan
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ulanehm
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Re: Dämmung der Zerrbalkenebene

Beitrag von ulanehm »

Hallo, Stefan,
danke für die kontruktiven Tipps. Also Dampfbremse und nicht Dampfsperre. Die Richtung ist mir jedenfalls sehr sympathisch. Mal sehen, ob sich dieser Baustoff hier im Süden beschaffen lässt. Zwischenzeitlich habe ich das Denkmalamt kontaktiert, da wir ein sehr gutes und konstruktives Verhältnis entwickelt hatten während der Vorderhaussanierung. Falls die signalisierte Unterstützung tatsächlich realisierbar ist, werdem wir die Sanierung des Dachstuhls wohl doch angehen.
Zur Heizung: Hüllflächentemperierung in der reinen Form wird nicht möglich sein. Allerdings hat der HB deutliche Probleme mit der Auslegung der Heizung als Hüllflächentemperierung. Er bekommt utopisch lange Leitungen berechnet. Deshalb wirds wohl der Kompromiss: Wir planen die an allen Aussenwänden entlanglaufenden Zirkulationsleitungen auf Putz zu verlegen und groß im Durchmesser zu dimensionieren. Im VH hat das sehr gut funktioniert.

Danke nochmals
Ulrich
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Re: Dämmung der Zerrbalkenebene

Beitrag von salinodg »

Hallo,

die erfahrung machen wir leider häufiger, daß Heizungsbauer die Rohrleitungen überdimensionieren. Nach bisherigen Erfahrungen dürfte es sich ca. um Faktor 2 bis 3 handeln.
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Stefan Haar
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Re: Dämmung der Zerrbalkenebene

Beitrag von Stefan Haar »

... nach meiner bisherigen eigenen Erfahrung würde ich eher zum Faktor 3 tendieren  :D  ... Die Berechnungsformalismen und die HB-Männchen vergessen dabei immer, dass die Wände bei der Hüllflächentemperierung viiiiel trockener bleiben, als Außenwände bei konventionellen Heizsystemen und damit auch rechnerisch viel besser dastehen. Dass Mann/Frau "nebenbei" noch mit ca.3´° weniger Raumtemperatur klar kommt, ohne an Komfort und Behaglichkeit einzubüßen, kommt noch hinzu.

Gerade erst heute Nachmittag habe ich wieder jemanden aus der IGB gesprochen, der bereits seit 15 Jahren beste Erfahrung mit dieser Heizungsart hat - und das auch in vermieteten Objekten mit historischem Wandaufbau.

Herzliche Grüße

Stefan
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Re: Dämmung der Zerrbalkenebene

Beitrag von salinodg »

@Stefan

Magst schon recht haben - ich wollte denen nicht allzu viel Unkenntnis um die Ohren hauen. Faktor 2 ist aber das absolute Minimum, weil in dem ganzen Berechnungsansatz der Branche ein elementarer Denkfehler mit Faktor 2 steckt. Liegt halt daran, daß keiner die Strahlungsgesetze beherrscht und das ganze mit dem Formelwerk der Thermodynamik (Wärme-Konvektion und Leitung) erschlagen werden soll.
ulanehm
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Re: Dämmung der Zerrbalkenebene

Beitrag von ulanehm »

Hallo, Stefan,
könntest du da einen Kontakt herstellen zu den Nutzern / Besitzern der Hüllflächentemperierung, die du erwähnt hattest. Ich würde gerne von den Erfahrungen dort profitierenn und mir zu gerne mal so eine Anlage anschauen!!
Danke
Ulrich
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Re: Dämmung der Zerrbalkenebene

Beitrag von Ralf Femmer | KS Freiberg »

... das schöne an diesen Anlagen ist, man sieht nichts. Aber wenn dur dir so eine nicht zu sehende ansehen möchtst und in der Nähe von Berlin wohnst, steh ich gerne zur Verfügung.
FG
Ralf
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Re: Dämmung der Zerrbalkenebene

Beitrag von Stefan Haar »

@ Ulrich:  die Telefonnummer von Bodo Vogel (Restaurator und Zimmermann) geht Dir per Mail zu
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Re: Dämmung der Zerrbalkenebene

Beitrag von Reini »

Hallo Stefan,
die Hüllflächentemperierung ist stark umstritten. Ich hatte diesbezüglich mit Dipl. - Ing. Holger König von Ascona - König... "Ökologische Projekte etc." einen intensiven Disput. Seiner Meinung nach kann die Hüllflächentemperierung unter dem Energieaspekt nicht empfohlen werden.
Wem oder welcher Aussage soll man/Frau vetrauen können.

Reinhard
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Re: Dämmung der Zerrbalkenebene

Beitrag von Stefan Haar »

Hallo Reini,

lt. Bodo Vogels Energievergleich vorher-nachher benötigt er bei seinem historischen Wandaufbau mit der Hüllflächentemperierung nur etwa 2/3 der vorherigen Energiemenge. Offenbar also zumindest nicht mehr als vorher bei der konventionellen Beheizung. Wenn ich dann mit der Hüllflächentemperierung gleichzeitig auch noch das Bauteil trockener halten kann und keine Kondensatprobleme mehr habe, stellt sich für mich die Frage nach dem optimalen Heizsystem nicht mehr wirklich. Einziger Haken: die Hüllflächentemperierung ist natürlich extrem träge in der Reaktion.

Solange die Vergleiche nicht von wirklich neutralen Institutionen an realen Objekten gemacht werden, werden wir wohl von offizieller Seite nie eine erschöpfende Antwort bekommen. Und welches Institut ist schon wirklich finanziell unabhängig und neutral? Die Energielobby ist doch überall in irgendeiner Form beteiligt  :'(

Und dass wir die gängigen offiziellen Berechnungsmethoden hinsichtlich ihrer Realitätsnähe weitgehend vergessen können, darüber sind wir uns hier im Forum glaube ich weitestgehend einig.

Gruß  Stefan
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Re: Dämmung der Zerrbalkenebene

Beitrag von Reini »

Hallo Stefan,
ich stimme dir vollkommen zu. Nur, wenn ich nicht einmal einem Professor und einem anerkannten Ökologen glauben bzw. vertrauen kann, worauf soll dann eine fundierte Beratung beruhen?
Woran soll man sich halten? Der eine Verfechter der ENEV auch bei denkmalgeschützten Häusern (und besonders bei öffentlichen), der andere Verfechter der Hüllflächentemperierung.
Wenn schon wir als "Kundige" nicht durchblicken, wie soll dann der Laie entscheiden können?

Gruß, Reinhard
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Stefan Haar
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Re: Dämmung der Zerrbalkenebene

Beitrag von Stefan Haar »

Hallo Reinhard,

leider werden wir uns da immer wieder im Kreise drehen  :'(

Einerseits sind wir Fachleute verpflichtet, die geltenden Regeln anzuwenden, selbst wenn wir aufgrund unserer Erfahrung wissen, dass sie das Papier nicht wert sind, auf das sie gedruckt wurden, andererseits werden wir alleine auch nur schwer einen wissenschaftlich hieb- und stichfesten Gegenbeweis erbringen können ... dafür fehlt uns letztendlich die finanzielle Kraft.

Also versuchen wir, unseren hoffentlich gesunden Menschenverstand einzusetzen und in ähnlich denkenden Gruppen von Mitdenkern bestimmte Themen zu diskutieren und unsere Erfahrungen auszutauschen.

Unser eigentliches Problem ist doch dann letztendlich, dass wir uns dem Bauherrn gegenüber dann immer wieder in schriftlicher Form für unser normabweichendes Denken absichern müssen, damit uns letztendlich nicht irgendein skrupelloser Rechtsanwalt vor dem Kadi übern Tisch zieht. Ruckizucki kann dann unsere Existenz als Freiberufler zerstört sein, obwohl wir inhaltlich eigentlich Recht haben ...

Und die Bauherren müssen einem schon eine ganze Menge Vertrauen entgegen bringen, wenn sie unseren Überzeugungen eher folgen sollen, als den in vielen Bücher zum soundsovielten Male beschriebenen "Wahrheiten". Ich für meinen Teil erkläre meinen Bauherren immer, was die geltenden Regeln von uns fordern, warum ich davon nichts halte und wie ich es meine besser machen zu können. Bis jetzt hatte ich damit erfreulicherweise keine Probleme  :)

Gruß  Stefan
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