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Abwasser im Außenbereich

Verfasst: So 18. Jan 2009, 21:33
von Ludwig
Die folgenden Beiträge wurden von einem anderen Thema abgetrennt und tlw. dupliziert!

...
Ach ja, in Sachen Pflanzenkläranlagen bin ich mittlerweile Semiprofi, wer dazu Fragen hat, kann mich gerne anmorsen. Ich denke, bei Denkmälern im Außenbereich dürfte diese Thematik auf viele Eigentümer wegen des Zwangs zur biologischen Reinigung zukommen.

Schöner Gruß
Ludwig



editiert von thobi: 20.01.2009 | 15:20 Uhr

Abwasser im Außenbereich

Verfasst: Di 20. Jan 2009, 00:03
von Wolfgang Riesner
Hallo Ludwig,
dein Hinweis auf die Pflanzenkläranlage veranlaßt mich zu einer Antwort. Ich will bestimmt kein neues Faß aufmachen, würde mich aber bei einer vollbiologischen Kleinkläranlage wohl eher für ein Gerät wie den Aqua-max entscheiden. Die Technik funktioniert doch besser und störungsfreier, als in vielen Fällen die Pflanzenkläranlage und auch bei den Kosten muß letztere nicht unbedingt im Vorteil sein. Da kommt es wohl auf die genauen Anforderungen an die Dichtheit zum Untergrund, die Sickerfähigkeit des eingebrachten Substrates, den vorgeschriebenen Prüfaufwand usw. an.
Man muß allerdings aufpassen, daß man nur Anlagen mit gleich guten Reinigungsleistungen vergleicht, denn nicht jedes irgendwie hingekippte Schilfbeet kann für sich in Anspruch nehmen, zuverlässig hohe Leistungen zu erbringen, zumal wenn die Flächen nicht sonderlich groß sind. Ein weiteres Problem sind schwankende Abwasserbelastungen. Wenn die nicht vorkommen, mag es etwas besser gehen.
Ich möchte deine Erfahrungen natürlich nicht abwerten und denke auch, daß es sinnvolle Anwendungsfälle für Pflanzenkläranlagen gibt. Man sollte sich das aber nicht zu einfach und auch nicht gerade billig vorstellen. Deshalb mein Hinweis.
Saubere Grüße aus Neuenknick von
Wolfgang

Abwasser im Außenbereich

Verfasst: Di 20. Jan 2009, 15:17
von Ludwig
Hallo Wolfgang,

wir haben die Anlage jetzt seit 2 Jahren und ich bin ehrlich gesagt positiv überrascht über die Funktionalität und die Reinigungsleistung. Habe mich auch vorher intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt, auch mit den technischen
Anlagen á la Aquamax und viele andere Systeme.

Aber wie Du schon sagst, es wäre ein (sicher interessantes) neues Thema. Wenn Bedarf besteht, kann ich gerne unter neuer Überschrift über meine Erfahrungen berichten. Das Thema Abwasser dürfte ja wie gesagt im Außenbereich viele Eigentümer betreffen.

Schöner Gruß
Ludwig

Re: Abwasser im Außenbereich

Verfasst: Di 20. Jan 2009, 18:08
von forenadmin
Moin liebe Diskutanten! ;)


Ich habe mal das Abwasser von den

>>> Steuervorteilen bei selbstgenutztem Denkmal vs. Vermietung <<<

getrennt, hoffe nun auf Ludwigs Beitrag und eine angeregte Diskussion!



Herzliche Grüße
Thomas

Re: Abwasser im Außenbereich

Verfasst: Mi 21. Jan 2009, 11:16
von switch
Wir müssen ein komplett neues System erstellen, da wir momentan nur eine einfache Kammergrube haben. Eventuell besteht auch Anschlusspflicht, aber wir würden lieber autark sein. Über die Anschlusspflicht verhandeln wir noch mit den Behörden.
Jetzt suche ich Informationen zu Pflanzkläranlagen, oder alternativen Systemen. Das heißt Herstellkosten, laufende Kosten, Wartung, Probleme. Vielleicht kann uns das bei der Entscheidung helfen.

Vielen Dank für eure Hilfe.

Re: Abwasser im Außenbereich

Verfasst: Mi 21. Jan 2009, 14:38
von Ludwig
Aaaaalso....Thema Abwasser im Außenbereich, da wo es keinen Kanal gibt.

Vorab:

>Eventuell besteht auch Anschlusspflicht, aber wir würden lieber autark sein.

Wenn ein Kanal vor Ort liegt, wird man um die Anschlusspflicht nach aller Erfahrung nicht herumkommen. Das wird gnadenlos durchgedrückt. Ich muss aber sagen, dass wir im Endeffekt auch den Kanalanschluss vorgezogen hätten, wenn es denn einen hier gäbe. Man ist dann zwar „abhängig“, aber auch eine ganze Menge Aufwand los. Das Abwasser ist dann einfach weg, ohne dass man sich Gedanken machen muss. Dazu später mehr.

Grundlage für die ganze Thematik ist die Tatsache, dass der Gesetzgeber seit ein paar Jahren verlangt, dass Abwasser auch dort, wo kein Kanalanschluss besteht, nicht nur mechanisch, sondern auch biologisch gereinigt werden muss. Also so wie in den kommunalen Kläranlagen. Betroffen sind rund 5 % der Bevölkerung, es dürfte also um rund 1 Million Haushalte gehen. Abwasser ist kommunale Angelegenheit. Deshalb ist der Status der Umsetzung dieses Gesetzes je nach Bundesland und Kommune unterschiedlich. Ich schätze, dass erst die Hälfte der betroffenen Haushalte entsprechend aufgerüstet hat. Besonders in den neuen Ländern dürfte es noch ganze Landstriche ohne Kanalanschluss geben, in denen die Anlagen umgerüstet werden müssen. Ist also auch ein Riesenmarkt für die Anbieter, von denen es unzählige gibt und die sich einen Kleinkrieg um die verschiedenen Systeme liefern, sich gegenseitig runterreden und das eigene System in den Himmel loben. Für den Verbraucher oft sehr verwirrend.

Bislang war die sogenannte Dreikammergrube Standard, in der das Abwasser durch drei Kammern läuft, in denen die Inhaltsstoffe sich rein mechanisch absetzen, und anschließend in der Regel unterirdisch versickert. Das ist definitiv nicht mehr genehmigungsfähig, bestehende Systeme müssen biologisch aufgerüstet werden.

Die einzige Alternative: Abflusslose Gruben, die regelmäßig abgepumpt werden. Die Dichtigkeit der Gruben muss nachgewiesen werden. Da aber peu a peu die Kommunen derzeit die Gebühren für das Abfahren drastisch erhöhen (bei uns derzeit 5 €/m3, Satzung wird aber gerade überarbeitet und höhere Sätze sind zu erwarten), unter dem Strich langfristig keine Alternative. Außerdem nervt der „Scheißewagen“, der alle paar Wochen stinkend aufs Grundstück kommt.

Biologische Reinigung bedeutet: Dem Wasser wird Sauerstoff zugeführt, so dass Mikroorganismen wachsen können, die Kohlenstoff und Stickstoff abbauen. Die Reinigungsleistung gegenüber der mechanischen Dreikammergrube steigt enorm.

Folgende Grenzwerte sind einzuhalten:
150 mg/l CSB (Chemischer Sauerstoffbedarf
40 mg/l BSB5 (Biochemischer Sauerstoffbedarf)

Die wichtigsten derzeit verwendten Systeme im Überblick:

- Pflanzenkläranlage (PKA): nach einer mechanischen Vorklärung durchfließt das Abwasser ein Pflanzenbeet, das mit Schilf o.ä. bewachsen ist. An den Wurzeln bilden sich Mikroorganismen, die den Kohlenstoff abbauen. Die Reinigungsleistung ist mit technischen Anlagen vergleichbar.

- SBR-Verfahren (Sequencing Batch Reactor): derzeit bevorzugtes technisches System in Deutschland. In der dritten Reinigungskammer wird das Wasser stoßweise belüftet. In der Belüftungsphase erfolgt der Abbau durch Mikroorganismen, in der Ruhephase setzt sich der Schlamm ab. Vorhandene Gruben können in der Regel einfach mit diesem System nachgerüstet werden.

- Biofilmanlagen: Hier haften die Mikroorganismen an Trägermaterialen und bilden einen Biofilm. Die Trägermaterialien weisen eine hohe spezifische Oberfläche auf, um möglichst viele Mikroorganismen auf wenig Raum ansiedeln zu können. Zu den Biofilmanlagen zählen Tropfkörper-, Rotationstauchkörper-, Fest- und Wirbelbettanlagen. Kann meist auch nachgerüstet werden.

Bei allen Systemen kann das gereinigte Abwasser in der Regel unbedenklich in Flüsse, Teiche oder Versickerungsanlagen eingeleitet werden. Und bei allen Systemen ist ca. alle 1-2 Jahre Schlammabfuhr notwendig.

Bestehende Dreikammergruben können als Vorklärung (mechanische Reinigungsstufe) weiter genutzt werden, bzw. die dritte Kammer wird für den SBR-Reaktor genutzt. Voraussetzung: Dichtigkeit wird nachgewiesen. Bei nicht allzu alten Betonbehältern ist das in der Regel kein Problem, bei gemauerten Gruben dagegen kaum möglich.

Die Baukosten der verschiedenen Systeme liegen für 8 Einwohner (8 EW) zwischen 5 und 10 Teuro, wobei die PKA in dieser Spanne etwas höher liegt. Allerdings kann bei der PKA durch Eigenleistung viel wettgemacht werden, da die Materialkosten den geringsten Teil ausmachen. Wer also einen Minibagger oder Leute zum Schaufeln zur Verfügung hat, kann viel sparen. Auch wenn vorhandene Gruben ohne großen Aufwand nutzbar sind, sinken die Kosten.

In einigen Bundesländern gibt es auch eine nicht unwesentliche Förderung für den Bau.

Die Betriebskosten (Strom, Wartung, Schlammabfuhr, Abwasserprobe, ggf. Abwassergebühr) liegen je nach System bei 300 bis 900 Euro/a, hier ist die PKA im unteren Bereich anzuordnen.

Wir haben uns nach reiflicher Überlegung für eine PKA entschieden. Gründe:

- Platz ist vorhanden

- deutlich geringerer technische Aufwand. Wir brauchen nur eine Pumpe für den Transport des Abwassers von der Vorklärung in das Pflanzenbeet. Bei Gefälle käme man sogar komplett ohne Strom aus.

- Systeme scheinen ausgereift zu sein, sind seit ca 20 Jahren Standard.

- Baukosten kaum höher als technische Systeme

- Betriebskosten geringer als technische Systeme

- Weniger anfällig bei schwankendem Abwasseranfall (z.B. bei Ferienhäusern)

Hier mal eine Beschreibung unserer Anlage, die ich aus anderem Anlass bereits erstellt hatte:

Beschreibung der Pflanzenkläranlage (PKA) für 8 Einwohnergleichwerte (EGW)

Bestandteile

Die Vorklärung besteht aus einer Dreikammergrube (ca. 10 m3) mit Pumpenschacht.

Die biologische Stufe ist ein bepflanzter Bodenfilter ca. 5 x 8 m = 40 m2 (5 m2 pro EGW), gefüllt mit einer ca. 60 cm hohen Kiesschicht 2/4 mm (an den Drainagerohren 8/16 mm). Im Kiesbett ist Schilf gepflanzt. Der Bodenfilter ist nach unten mit PVC-Folie 1,5 mm abgedichtet. An der Querseite ist ein Einlaufschacht mit Drainagerohr, an der gegenüberliegenden Querseite ein Auslaufschacht mit Drainagerohr und Überlaufrohr mit Wippe.

Das gereinigte Abwasser fließt in unseren alten Mühlenteich und versickert dort.

Funktionsweise

Das häusliche Abwasser fließt zunächst durch die Dreikammergrube, in der sich die Grobstoffe als Klärschlamm absetzen, in den Pumpenschacht.

Eine Tauchpumpe mit Schwimmschalter befördert das Abwasser in Intervallen in den Einlaufschacht des Bodenfilters. Ist genügend Gefälle vorhanden, kann das Abwasser auch ohne Pumpe befördert werden, so dass die Anlage komplett ohne Strom auskommt. Vom Einlaufschacht gelangt es über das Drainagerohr in den Bodenfilter und durchfließt langsam die Wurzelzone der Schilfpflanzen. Hier geschieht der biologische Abbau durch sauerstoffverzehrende Mikroorganismen. Über das zweite Drainagerohr am Ende des Bodenfilters gelangt das Abwasser in den Auslaufschacht. Dieser dient zur Steuerung des Wasserspiegels im Bodenfilter und erlaubt die Entnahme von Wasserproben.

Wenn der Wasserstand im Bodenfilter ca. 40 cm beträgt, springt die Wippe im Auslaufschacht um und das Abwasser läuft über das Überlaufrohr durch eine Leitung in den Sickerteich. Der Wasserstand im Bodenfilter sinkt so auf ca. 20 cm. Dadurch wird die Wurzelzone belüftet. Dieses Intervall wiederholt sich etwa alle drei bis vier Tage.

Wartung

Ein- bis zweimal jährlich muss der Klärschlamm abgepumpt und entsorgt werden. (Kommunale Kläranlage)

Im Herbst werden die Schilfpflanzen geschnitten und bleiben als Frostschutz über den Winter auf dem Bodenfilter liegen.

Die Drainagerohre können bei Bedarf gespült werden.

Der Ablauf wird einmal jährlich analysiert, um die Reinigungsleistung zu überwachen.

Nach 2 Jahren im Betrieb lässt sich folgendes sagen:

Der Ablauf ist nahezu klar, die Grenzwerte werden deutlich eingehalten. Im Sickerteich leben Frösche, Molche, Käfer, Flöhe und sonstiges Zeugs. Ich hatte auch mal Stichlinge reingesetzt, die haben aber nicht überlebt. Wasserpflanzen gedeihen prächtig, im Frühjahr auch Algen.

Im ersten Jahr hatten wir ein paar Mal das Problem, dass der Ablauf milchig trüb wurde und entsprechend auch das Wasser im Sickerteich. Sah schon echt eklig aus. Zunächst dachte ich, es hängt damit zusammen, dass eine ältere Bewohnerin ab und zu Antibiotika nehmen muss, das hat sich aber nicht bestätigt. Die Ursache ist mir bis heute nicht bekannt. Die einzige Erklärung habe ich lustigerweise in einem Aquaristikforum gefunden, wo es Hinweise darauf gab, dass abgestorbene Bakterien diese milchige Trübung verursachen. Der Sickerteich hat das aber von selbst innerhalb ein, zwei Wochen beseitigt. Insgesamt ist die Reingungsleistung der Natur schon verblüffend.

Und die anfangs provisorisch eingerichtete Stromversorgung der Pumpe fiel mal aus. Dann läuft die Vorklärung über, auch nicht angenehm.

Und damit sind wir bei den Nachteilen der dezentralen Abwasserreingung, das betrifft aber alle Systeme und nicht nur die PKA:

- man muss sich kümmern, also die Anlage regelmäßig überwachen, ob alles funktioniert. Der Aufwand dürfte für die technischen Systeme da eher höher sein, da es mehr Aggregate gibt.

- Es muss peinlich darauf geachtet werden, dass möglichst nichts in den Abfluss/Toilette gelangt, was vorher nicht gegessen wurde. Schädlich sind z.B. sämtliche Chemikalien, Lacke etc. sowie auch Speiseöl, Frittierfett etc, Speisereste, Tapetenkleister, Textilien, Watte, Vogelsand, Katzenstreu, Zement, Kalk, Mörtelreste, Zigarettenkippen usw. Das ist zwar umwelttechnisch sinnvoll, aber bei Kindern, Mietern, Handwerkern etc schwer zu überwachen bzw. durchzusetzen. Wasch- und Putzmittel haben wir komplett auf Frosch oder ähnliche Produkte umgestellt. Bei Kanalanschluss wär das alles egal, denn eine kommunale Kläranlage steckt das problemlos weg.

- die laufenden Kosten inkl. Abschreibung dürften auch langfristig über den Kosten für einen Kanalanschluss liegen.

Deshalb würde ich unter dem Strich den Kanalanschluss immer vorziehen.

Übrigens skurril: Wir müssen trotz allem eine verbrauchsabhängige Abwassergebühr zahlen, die 60 % der Gebühr für den Kanal beträgt! Darüber liege ich mit der Stadt im Streit. Im Rahmen der momentan in den politischen Mühlen befindlichen Satzungsänderung wird das aber wohl dahingehend geändert, dass nur noch die tatsächlich abgefahrene Schlammmenge berechnet wird.

So, das war das Wesentliche, wer Fragen hat, soll sich gerne melden. Ich habe auch eine ganze Menge Unterlagen zum Thema.

Schöner Gruß

Ludwig