Das Rathaus in Uslar

Hilferufe für die Erhaltung bedrohter Bauten - Wenn der Bagger droht!
Karin + Christian Schade | AS Göttingen/Eichsfeld
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Das Rathaus in Uslar

Beitrag von Karin + Christian Schade | AS Göttingen/Eichsfeld »

Ich möchte gern die Diskussion eröffnen mit einigen Anmerkungen zur Stellungnahme der Bezirksregierung.

Diese Stellungnahme wirft meines Erachtens leider mehr Fragen auf, als sie beantwortet.

1. Ich räume gern ein, daß ich keine verläßlichen Recherchen betrieben habe, wenn ich damit meine Informanten schütze....

2. (Zitat): "Um die historische Bausubstanz als Ganzes zu erhalten, war der Einsatz von Stahl zur Verstärkung der Konstruktion unabwendbar".
Das mag ich gern glauben, wenn dadurch ein Eingriff in die Holzkonstruktion und die Statik vermieden wird und die Stahlkonstruktion allein steht um Lasten durch neue Nutzung o.ä. aufzunehmen. In diesem Fall aber wurde anhand von Stahlkonstruktionen in die historische Konstruktion teilweise massiv eingegriffen. Das zeigt sich schon darin, daß Kostensteigerungen u.a. mit (Zitat) "Marktpreisanpassungen vor alle[m] beim Stahl"begründet werden.
Das darf meines Erachtens bei einem so herausragenden Denkmal nicht geschehen! 528 Jahre hat das Gebäude gestanden, und jetzt zeigt sich, daß es von Anfang an eine Fehlkonstruktion war?

3. Wieviel an historischer Substanz ist dem Rathaus verblieben?
Ich schätzte und schätze noch immer: ca.30 Prozent. Auch die ausführlichen Einlassungen in der Stellungnahme überzeugen mich nicht. Und ich vermisse eine konkrete Angabe.

4. Ist das Gebäude noch ein Denkmal?
Aus politischen Gründen immer: ja! Aber Bezirksregierung und IGB könnten darüber streiten wie sie wollten - entscheiden muß das immer noch das Landesamt!

5. Zurück zu den Kosten, neben der fachlichen Ausführung der eigentliche Grund für mich zum Kopfschütteln.
Zur Information vorweg ein paar Zahlen:
- Vorläufige Kostenschätzung vom 12.10.98 - 2,65 Mio Euro
- Angemeldeter Mittelbedarf 10.10.2001 -3,16 Mio Euro
- Kostenberechnung 8.04.2002 -3,33 Mio Euro
- Kostenschätzungen, jetzt mit Treppenturm 3.02.2003 -3,64 Mio Euro
- Kostenkontrolle 30.10.2003 - 4,93 Mio Euro
- Kostenschätzung 16.06.2004 - 6,08 Mio Euro. (davon 1,35 Mio Euro Baunebenkosten)
- Kostenschätzung nach Reduzierung 16.08.2004 - 5,6 Mio Euro
Da stellt sich doch die Frage, wie eine solche Explosion der Kosten möglich gewesen sein kann! Dabei hat es doch zu beginn eine (Zitat) "Bauschadensanamnese" gegeben. Da stellt sich für mich die Frage, warum man überhaupt Geld für eine solche zur Verfügung stellt. Ich habe offiziell bei den Denkmalbehörden diese Frage gestellt und bekam folgende Antwort:
"In den Verwaltungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung heißt es, dass eine Anfinanzierung von Vorhaben, deren Gesamtfinanzierung nicht gesichert ist, unzulässig ist.
Daraus ist zu schlussfolgern, dass die Gesamtkosten auch bekannt sein müssen. Dies bedeutet, dass am Beginn einer umfassenden Baumaßnahme (Grundinstandsetzung) als 1. Bauabschnitt eine ganzheitliche Schadensanamnese steht, die in einer qualifizierten Kostenschätzung mündet und über Art und Umfang der notwendigen monetären und baulichen Leistungen Auskunft gibt. Dies stellt die notwendige Grundlagenermittlung dar."
Muß ich jetzt davon ausgehen, daß die Finanzierung des Rathauses Uslar unzulässig ist? Oder muß ich davon ausgehen, daß die Kostenschätzung nicht qualifiziert war? Was aber die erste Annahme nicht außer Kraft setzten würde.
In der Stellungnahme der BezReg ist übrigens die derzeit gültige Kostenschätzung mit 5,4 statt 5,6 Mio Euro angegeben, die vorherige mit 4,2 Mio Euro, welche aber nach unseren Informationen bei 6,08 Mio Euro lag.

So weit zunächst zu ersten Anmerkungen von mir als Autorin des diskutierten Artikels.

Ich möchte herzlich um eine lebhafte, aber sachliche Diskussion bitten!

Karin Schade
gmc
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Re:Das Rathaus in Uslar

Beitrag von gmc »

Danke für den interessanten Artikel "Ja, wo ist es den hin, das (Rat)Haus?? im HN 4/2004.
Den Schuh hat sich wohl jemand angezogen bei dem er offensichtlich passt - Maßarbeit! Aber ich dachte immer, dass in Niedersachsen die Kreise oder die größeren Städte die zuständigen Denkmalschutzbehörden sind. Liege ich da falsch?
Vielleicht kann mich da mal jemand aufklären.
Karin + Christian Schade | AS Göttingen/Eichsfeld
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Re:Das Rathaus in Uslar

Beitrag von Karin + Christian Schade | AS Göttingen/Eichsfeld »

Nun, es stimmt schon: zuständig für das Rathaus Uslar ist der Landkreis Northeim als Untere Denkmalschutzbehörde.
peter
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Re:Das Rathaus in Uslar

Beitrag von peter »

Auch ohne das Gebäude selbst gesehen zuhaben, drängt sich der Verdacht der unsachgemäßen Sanierung und Geldverschwendung auf,letzteres vermutlich auch wegen der hohen Honorare an Architekten und Statiker.
Peter Mähler
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Stefan Haar
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Re:Das Rathaus in Uslar

Beitrag von Stefan Haar »

Auf mehrfache Einladung habe ich Mitte November endlich die Zeit gefunden das Objekt der Kritik selbst in Augenschein zu nehmen. Um mir ein neutrales Bild von der örtlichen Situation machen zu können, hielt ich es für erforderlich, auf privater Basis anzureisen und die Baustelle ohne Beeinflussung durch die beteiligten Planer, Sachverständigen und Denkmalbehörden zu sichten.

Selbst nach 3? Stunden Objektbegehung kann man sich natürlich noch kein abschließendes Bild machen, zumal die Sichtung der Bestandsaufnahme, der Schadensanalyse, der Sanierungskonzepte und der statischen Berechnungen noch einmal ein komplettes Tagesprogramm erfordern würde, aber einige wesentliche Eindrücke möchte ich in diesem Zusammenhang nebst Erläuterung doch zur weiteren Diskussion stellen.

Da der Umfang des Beitrages aber ein mehrseitiger Artikel zu werden droht, werde ich ihn häppchenweise in diesem Forum zur Diskussion stellen ? schon weil aus technischen Gründen nur ein Foto je Beitrag als Anhang möglich ist.

Mein Fazit vorweg:

Ich bin erschüttert, wie viel Unsensibilität für die alte Bausubstanz, wie viel fehlendes Fachwissen und wie viel fachliche Uneinsichtigkeit sich an diesem Objekt auf Planungsebene in trauter Eintracht zusammengefunden haben. Schade, dass man die beteiligten erfahrenen Praktiker nicht mehr in die Entscheidungsfindung einbezogen hat.

Stattdessen setzt sich mit dem beauftragten Architekten offenbar immer wieder ein Planer ? häufig auch entgegen der Forderungen des Bauherrn ? durch, dem der erforderliche Sachverstand, das Einfühlungsvermögen für historische Fachwerkgebäude und der Sinn für kostenbewußte Fachwerksanierung weitestgehend zu fehlen scheint.

Als Beispiel hierfür seien nur die Ausfachungen mit neuen Leichtlehmsteinen genannt. Grundsätzlich ist nichts gegen die Leichtlehmsteine zu sagen ? ein fachwerkverträglicheres Material als Lehm wird kaum zu finden sein. Der praktizierte Umgang mit dem Material hat mich aber vor Ort dann doch ?fröhlich? prusten lassen (Abbildung 1: Ausfachung mit Trapezleisten)
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Re:Das Rathaus in Uslar

Beitrag von Stefan Haar »

Auch gegen die Trapezleisten an den seitlichen Flanken der Stiele und Streben wäre an und für sich nichts zu sagen, sofern man es mit planebenen Holzoberflächen zu tun hätte. Die begleitenden Hölzer haben aber allesamt tief eingebeilte Nuten, die ? zieht man die wenigen noch vorhanden Originalausfachungen im Inneren des Gebäudes zu Rate ? ursprünglich offenbar für das Flechtwerk vorgesehen waren. Diese Nuten wären hervorragende Mörteltaschen gewesen, konstruktiv erheblich besser und ohne zusätzliche Kosten. Stattdessen nagelt man hier mühsam ringsherum neue Trapezleisten über diese Nuten (die unerwünschten Hohlräume sind damit vorprogrammiert). Welchen Sinn solche Leisten auf und unterhalb horizontaler Bauteile wirklich machen, mag sich jeder einmal in einer stillen Stunde selber überlegen. Dieses Detail also als erstes Beispiel für unsinnige, aber dafür kostentreibende Konstruktionslösungen, die aus meiner Sicht einen Planungsfehler darstellen und freundlicherweise das Honorar des Verursachers in die Höhe treiben.
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Stefan Haar
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Re:Das Rathaus in Uslar

Beitrag von Stefan Haar »

Kommen wir zu einem zweiten Beispiel, bei dem ich nur verständnislos mein Haupt schütteln kann:
Die komplette Einhausung der Baustelle einschließlich Überdachung beruhte nach meinen Informationen insbesondere auf der Idee, die Sandsteinplatteneindeckung von dem ? wohlgemerkt nicht genutzten - Dachboden aus sichtbar zu belassen und gleichzeitig die Möglichkeit offen zu halten, Reparaturen von der Innenseite aus bewerkstelligen zu können.
Soweit so gut ? aber ist es wirklich möglich, genagelte Sandsteinplatten von innen zu tauschen, ohne auf das Dach zu müssen? Selbst wenn es prinzipiell möglich wäre ? spätestens bei den gewählten Querschnitten und dem Abstand der Lattung dürfte es m.E. nicht mehr möglich sein, eine passende Sandsteinplatte von Innen nachzuschieben. Aber vielleicht belehrt mich ja jemand eines Besseren.
Einem privaten Bauherrn würde man diese aufwendige Langzeit-Gerüstmaßnahme wohl kaum zumuten. Hier würde man sicher abschnittweise eine Schalung mit Unterdachbahn aufbringen, um die Baustelle trocken zu halten. Diese deutlich kostengünstigere Variante wurde aber mit Nachdruck abgelehnt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
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Re:Das Rathaus in Uslar

Beitrag von Stefan Haar »

... für heute zu einem letzten Beispiel, das bei mir Stirnrunzeln verursacht. Vielleicht kann mich ja jemand bezüglich der Notwendigkeit dieser Maßnahme aufklären.

Das Foto zeigt den Dachstuhl des Rathauses Uslar während der Dacheindeckungsmaßnahmen. Ein Dachstuhl, der zumindest zum Teil seit über 500 Jahren steht und wohl auch bauzeitlich mit Sandsteinplatten ? vermutlich deutlich größeren - gedeckt gewesen sein dürfte.
Man überlege sich jetzt bitte einmal die Aussteifungswirkung der äußerst massiven Traglattung. Wofür bitteschön könnten die innenseitig mit Bolzen an den Sparrenenden befestigten Kanthölzer zwingend erforderlich sein? Um die Sparrenpaare in ihrer Position zueinander zu fixieren reicht nun in der Praxis wirklich eine aufgenagelte Dachlatte ? als Provisorium wohlgemerkt. Diese hier von mir beschriebene bauliche Maßnahme spielt bei den horrenden Gesamtkosten wohl kaum eine maßgebliche Rolle, aber ?Kleinvieh macht auch Mist?.

Für den nicht ortskundigen Leser wird auf diesem Foto nebenbei die aufwendige Gerüstüberdachung nachvollziehbar.


Fortsetzung folgt ?
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Christian v. Osten
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Re:Das Rathaus in Uslar

Beitrag von Christian v. Osten »

Eine wirklich bemerkenswerte Aktion ist sie schon, die Sanierung des Rathauses Uslar. Allerdings im negativen Sinn. Gut, dass die IGB darüber berichtet.
Dass aber nun die obere Denkmalschutzbehörde meint Stellung nehmen zu müssen, macht das Ganze noch pikanter.

Ich selbst wohne in einem denkmalgeschützten Haus in der Nähe von Northeim und habe so meine Erfahrungen mit der Denkmalobrigkeit machen können. Da so ein Baudenkmal aber immobil ist und man daher nicht so ohne weiteres eine für Denkmalbesitzer ungastliche Region verlassen kann, ist es, glaube ich, besser für mich anonym zu bleiben. Denn als Betroffener lernt man schnell, dass man wenn man hier aufmuckt, Ärger kriegt. Erst gestern habe ich wieder von einem geplagten Denkmaleigentümer erfahren, dem die Denkmalobrigkeit die Daumenschrauben angesetzt hat, weil er nicht den Wünschen der Oberdenkmalpflegerin bedingungslos gefolgt ist.
Für die Diskussion erscheint es mir aber wichtig aufzuzeigen, dass das am Rathaus Uslar Geschehene zwar der Denkmalhammer schlechthin ist, aber leider ist es kein Einzelfall und somit auch kein Ausrutscher. Denn wenn man hier bei uns nur aufmerksam die Zeitung liest, stellt man schnell fest, dass es von diesen tollen Denkmalsanierungen mit galoppierenden Kosten so einige gibt. Mir sind da noch das Museum in Uslar, das Eickesches Haus in Einbeck und die Reithalle in Katlenburg gut in Erinnerung. Der letztgenannten wird wohl in Kürze die dortige Friedhofskapelle folgen. Ich denke, dass es sich für den Holznagelleser lohnen würde, wenn auch über diese ?Sanierungen? mal berichtet würde. Vielleicht sollt man dabei auch mal das Augenmerk auf die Personen richten, die für die fragwürdigen ?Sanierungskonzepte? verantwortlich sind. Ich habe den Eindruck, es sind immer wieder dieselben.
Hohe Baunebenkostenanteile (Uslar über 22%) haben die Sanierung von öffentlichen Baudenkmalen derzeit zum offensichtlich lukrativsten Tummelfelder für Architekten und Ingenieure gemacht. Insbesondere wenn, wie in Uslar, mit den Baukosten sich die Honorare gleich mit verdoppeln!

Aber ich will noch mal auf die Stellungnahme der oberen Denkmalschutzbehörde (Bezirksregierung) zurück kommen.
Die durch das Staatliche Baumanagement (auch Bezirksregierung) erfolgte Überprüfung einer kostenmäßig völlig aus dem Ruder gelaufenen Baumaßnahme, für die sie selbst, zumindest als ?verantwortungsvolle Denkmalpflege?, die Mitverantwortung trägt, ist im Ergebnis nicht wirklich beruhigend, wenn dabei der nur eine ?Gemengelage? festgestellt wurde. Für mich klingt das eher nach selbst erteilter Absolution.
In Zeiten von Hartz IV reicht das nicht!
gmc
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Re:Das Rathaus in Uslar

Beitrag von gmc »

Danke ks für die Aufklärung.
Das heißt dann ja, dass die für die Sanierung des Rathauses in Uslar zuständige Denkmalschutzbehörde die des Landkreises Northeim ist. Aber die wirklich verantwortliche ?verantwortungsvolle Denkmalpflege? ist die der Bezirksregierung Braunschweig - jetzt verstehe ich auch warum sie ganz oben auf dem Bauschild steht.
Geht das in Niedersachsen denn so ohne weiteres, dass eine Bezirksregierung die Zuständigkeit bzw. Verantwortung einer unteren Denkmalschutzbehörde an sich zieht?
Aber egal ? wir wissen ja jetzt, wer die verantwortliche ?verantwortungsvolle Denkmalpflege? ist. Denn wie sie selbst reklamiert ?stellt? die Sanierung und denkmalgerechte Erhaltung ... in der Tat eine herausfordernde und komplexe Aufgabe dar?.
- Nur Herausforderungen müssen auch gemeistert werden!
Das ausgeweidete Rathaus von Uslar vermittelt aber nicht den Eindruck, dass eine ?denkmalgerechte Erhaltung? bewerkstelligt wurde. - Es sei denn, dass man eine sicherlich rechnerisch nachvollziehbare, funktionierende Stahlbaukonstruktion, an der die zuvor herausgerissenen Holzbauteile zum Zwecke der nostalgischen Dekoration wieder aufgehängt werden (wenn sie noch da sind! Siehe HN 5/2004 Seite 60), als denkmalpflegerisch probates Mittel einer ?denkmalgerechte[n] Erhaltung? ansieht. Wenn das aber der denkmalpflegerische Standard sein bzw. werden sollte, frage ich mich und auch Euch, wo der Zeugniswert einer handwerklichen historischen Holzkonstruktion in Zukunft noch bleibt, der meiner Meinung nach unabdingbar zu einem denkmalgeschützten, über 500 Jahre alten Fachwerk - Rathaus gehört.
Vielleicht aber stellte das Rathaus Uslar einfach nur eine, für die verantwortliche ?verantwortungsvolle Denkmalpflege?, zu ?komplexe Aufgabe dar?.

So betrachtet wird es vielleicht auch erklärlich, dass die im ?Ja, wo ist es denn hin...? Artikel aufgeworfenen Fragestellungen nur unzureichend vom Pressesprecher der Bezirksregierung Braunschweig beantwortet werden konnten. Denn nachdem ich diese Stellungnahme gelesen habe, werde ich den Eindruck nicht los, dass hier nur den von Standsicherheitsexperten zuvor getroffenen und leider umgesetzten Entscheidungen der Mantel der hochoffiziellen ?verantwortungsvolle[n] Denkmalpflege? umgehängt werden soll. Eine Auseinandersetzung mit anderen, nun aber leider nicht mehr möglichen Lösungsansätzen für eine wirklich
?denkmalgerechte Erhaltung? unter Beibehaltung der immerhin über 500 Jahre statisch funk-tionierenden Holzkonstruktion ist nicht erkennbar.
Aber vielleicht darf oder kann man das auch nicht von einer verantwortlichen ?verantwor-tungsvolle[n] Denkmalpflege? erwarten, die in ihren Pressemitteilungen öffentlich feststellt, dass ?offensichtlich ...von Anfang an...eine ausreichende Aussteifung...fehlte?
- wohl gemerkt, dies bei einem Rathaus von 1476 !

Oder darf bzw. muss man hier nicht etwas anderes erwarten?



P.S. Zur Frage ?ist das Gebäude noch ein Denkmal ? ? sollte man, wenn man es höchstrich-terlich wissen will, mal den Bundesfinanzhof fragen oder aber nur aufmerksam den HN 5/2004 Seite 51 ? 53 lesen.
Name
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Re:Das Rathaus in Uslar

Beitrag von Name »

Wie kann man nur mit derartigen Mengen an Steuergeldern eine solche Denkmalsubstanz so selbstherrlich zerstören und seine Fehler dann auch noch schönreden?
Diese Art der Denkmalpflege ist überflüssig!
Die Zeiten des postmodernen ?decorated shed? sollten wir doch hinter uns gelassen haben. Wünscht man sich Kulissenarchitektur, bei der nur noch die Fassade stehenbleibt, kann man doch direkt ins Theater gehen.
gkr
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Re:Das Rathaus in Uslar

Beitrag von gkr »

Sanierung Rathaus Uslar

Habe gerade mit großem Interesse Ihren Beitrag zur gelungenen Kaputtsanierung des Uslarer Rathauses gelesen, und als ich mir die Bilder dazu anschaute- dabei auf das große Baustellenschild stieß sträubten sich bei mir alle Haare- und das sind nicht wenige- bei den Namen Rügemer und
Haberland.
Mit diesen Herren hatte ich auch das Vergnügen bei der "Sanierung" des Hellgrevenhofes in Eisenach- jetzt neue Stadtbibliothek- im Jahr 1992-1994.
Der Hellgrevenhof ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie man mit viel Geld wertvolle Bausubstanz sinnlos zerstören kann.Die Bilder von Uslar ähneln denen aus Eisenach doch sehr!
Zur Erklärung- ich bin Zimmerer und war damals als Vorarbeiter der ausführenden Firma dort tätig.
Wir konnten uns erfolgreich zunächst wehren, daß Unmengen von Stahlträgern eingebaut wurden- die Firmen nach uns nicht mehr.
Das älteste an dieser Baustelle verbaut gefundene Holz (lt. Kernbohrung) stammte aus dem 11. Jh.- also auch damals wurde schon recyceltes Holz verwendet- und es hält noch heute.(wenn man es läßt)
Mein Eindruck- der Statiker ist ein Mensch der nach Kilo verbrauchtem Papier und Tonnen verbautem Stahl bezahlt wird -also für denkmalgeschützte Gebäude ungeeignet!!!

Mit freundlichen Grüßen
aus Thüringen
GKR
mk
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Re:Das Rathaus in Uslar

Beitrag von mk »

Im Rahmen eines Seminars für Sachverständige hatte auch ich Gelegenheit das Rathaus in Uslar zu besichtigen; und war erschüttert. Hier können alle Beteiligten in einen Sack gesteckt werden, denn alle haben sich an diesem Vergehen, wenn man nicht sogar von Verbrechen sprechen sollte, beteiligt.
Die Handwerker haben mieserable Arbeit geleistet. Diese sind eindeutig von fachlichem Unwissen gekennzeichnet.
Der Bauleiter der vieles nicht sieht, also erher zur Blindenselbsthilfe gehen sollte.
Der Fachplaner, der sich wohl in seiner "Einzigartigkeit" hier ausgetobt hat. Dafür ist er ja nun land auf land ab bekannt, dass seine Sanierungsvorschläge nicht nur alle Kostenrahmen sprengt, sondern auch dafür bekannt ist, dass er Häuder verhunzt.
Die Stadt Uslar die sich auf diese Fachleute blind verlassen hat, ohne weitere Fachleute hinzuzuziehen.
Die Bezirksregierung die das ganze auch noch massiv unterstützt.
Aber insbesondere sei den Politikern in Uslar ins Parteibuch zu schreiben: "Wir haben uns an der Zerstörung eines bekannten Baudenkmals in der BRD beteiligz und haben Uslar in die Riege der Negativbeispiele an oberste Stelle gerückt."
Liegt Uslar eigentlich in dem Tal der Ahnungslosen?

Der Stadt Uslar und den Uslarer Politer kann nur geraten werden, allein zum Selbstschutz, einen fachlich versiehrten Sachverständigen aus dem Fachwerkbereich, zu bestellen, der die Maßnahmen beurteilt.
Denn in der großen Abrechnung wird die Gesamtschuld den örtlichen Personen in die Schuhe geschoben. Wollt ihr in Uslar euch das gefallen lassen?
Dietrich Maschmeyer
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Beiträge: 767
Registriert: Mo 17. Feb 2003, 17:34

Re:Das Rathaus in Uslar

Beitrag von Dietrich Maschmeyer »

Ich finde es bemerkenswert, dass alle Zuschriften mit den am Bau Verantwortlichen hart ins Gericht gehen. Liebe Zuschreiber, seid Ihr nicht etwas selbstgerecht bzw. ist euer Urteil nicht zu undifferenziert? Macht es Sinn, nur auf die Planer einzuschlagen, statt kritisch, aber auch konstruktiv der Frage nachzugehen, ab welcher Stelle es bei diesem Gebäude begann, total schiefzulaufen? Müsst Ihr nicht auch berücksichtigen, dass ein Fachplaner, der den Auftrag bekommt, die Geschosse des Gebäudes für öffentliche Nutzung herzurichten, einfach massenweise Stahl verbauen muss, weil er die Statik nach den derzeit gültigen Methoden nachweisen muss? Dann ist doch nur noch die Frage zu stellen, wie man die zweifelsfrei notwendigen Verstärkungen ins Gebäude integriert. Denn in diesem Punkt scheint mir das Problem zu liegen. Ein eisernes Prinzip, das sich bewährt hat, nämlich bei derartigen Verstärkungen die Substanz nur minimal anzutasten und diese Konstruktionen so zu gestalten, dass kommende Generationen, die bessere Lösungen haben, sie jederzeit wieder entfernen können, wurde hier ja wohl zugunsten einer scheinbaren "Unsichtbarkeit" ausser Acht gelassen. Sollte man nicht mal diese Punkte diskutieren, die möglicherweise ein entscheidendes Missverständnis der beiden wichtigsten Parteien in diesem Planungs- und Bauprozess offenbaren, nämlich in der Frage, wie man mit so einem Denkmal umgehen und was man von ihm noch als Nutzung verlangen darf? Diese beiden Parteien sind der Auftraggeber, die Stadt Uslar, und noch wichtiger die staatliche Denkmalpflege, die ganz oben auf dem Bauschild steht und damit zumindest dem äusseren Eindruck nach in weit mehr als einer reinen Beraterrolle steht. Diesem Eindruck hat sie im übrigen nicht widersprochen, sondern durch die offizielle Stellungnahme im Gegenteil den Eindruck bestärkt, dass sie das denkmalpflegerische "Desaster", das jetzt beklagt wird, nicht nur zähneknirschend mitgetragen hat, es eigentlich aber gern zurückhaltender gehabt hätte, sondern die immensen Engriffe aktiv gefördert hat. Und das stimmt nun spätestens seit den grundlegenden Überlegungen von Georg Dehio wirklich bedenklich.

Denkmalpflegerischen Rigorismus haben wir in mindestens 2 Epochen gehabt: In der Restaurierungs- und Rekonstruktionswut des 19. Jahrhunderts, die meisten, Baudenkmale "stilrein" wiederherstellen zu müssen und dafür rigoros in den Bestand eingreifen zu dürfen, und die 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts, wo die selbe Bewegung unter dem anderen Schlagwort der "Ehrlichkeit" wiederkehrte. Am Dom zu Speyer kann man die Folgen beider Bewegungen an einem Gebäude studieren: Die rigorose Neuausmalung des 19. Jahrhunderts wurde im 20. Jahrhundert fast ebenso rigoros wieder entfernt: Beide Oberflächen sind völlig unhistorisch, habe aber im wesentlich eines bewirkt: Einen unglaublich starken Verlust an historischer Überlieferung zur Baugeschichte. In der Lübecker Marienkriche musste der als "unmittelalterlich" diffamierte barocke Hochaltar, im Krieg nur beschädigt, aber nicht zerstört, weichen, und mit ihm auch der Rest des Lettners, der nach Meinung einiger Leute nicht zum Charakter der Kirche passte. Welch galoppierender Schwachsinn zur Rechtfertigung, dass man in Wirklichkeit nur je nach Veranlagung etwas "Schickes" oder "Zeitgemässes" haben wollte, aber kein historisch gewachsenes Gebäude, an dessen verschiedenen Schichten man sich geistig hätte reiben können, aber auch müssen, weil sicher nicht alle Zutaten und Veränderungen des Objektes nach heutiger Ansicht glücklich waren, vor allem aber, weil auch die in einigen Zutaten zum Ausdruck gebrachte Geisteshaltung nicht unbedingt uneingeschränkten Zuspruch finden dürfte - man denke nur an Grabdenkmale oder Kriegehrenmale. aber erfüllen Sie nicht gerade durch ihre unangenehme Präsenz den eigentlichen Snn eines "Denk-Mals"?

Womit ich bei der entscheidenden Frage bin: Ist der Rigorismus, wie er uns wohl auch in Uslar entgegentritt, nicht auch eine Art Bildersturm? Was veranlasst uns, letztlich so relativ brutal mit der gewachsenen Substanz umzugehen? Denn der riesige Substanzverlust ist es doch wohl, der in erster Linie beklagt wird.

Dass das Ganze dann so teuer wurde, ist letztlich wohl nur noch eine indirekte Folge einer Einstellung, die man erst mal als solche hinterfragen sollte.

Wobei handwerklicher Pfusch und Unsinn im Detail Kapitel sind, die man nach der obigen Frage nach dem Grundverständnis des "Restaurators" besser separat diskutieren sollte.
Pollmann
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Re:Das Rathaus in Uslar

Beitrag von Pollmann »

Aus meiner Göttinger Studentenzeit ist mir das Rathaus in Uslar noch ein Begriff. Der im Artikel ?ja wo ist es denn hin, das (Rat)Haus??? geschilderte Zustand wäre für mich vielleicht verständlich, wenn ich sicher sein könnte, dass diese Sanierung aus der Vordenkmalschutz-Zeit stammt. Aber zu meinem Bedauern weiss ich es dank der IGB ? Berichte nun besser.
Was für eine Respektlosigkeit im Umgang mit einem über 500 Jahre alten Rathaus!
Und was ist das für ein Verständnis von Denkmalpflege, das durch die Stellungnahme der Bezirksregierung zum Ausdruck kommt? Mit der Überschrift ?hier ist sie, die verantwortungsvolle Denkmalpflege!? diesen Denkmalfrevel schönreden zu wollen ist vermessen, weil zwecklos!
Anstatt dem weit verbreiteten Vorurteil ?Denkmalpflege ist teuer? entgegenzuwirken, wurde hier seitens der Denkmalpflege wohl nach dem Motto ? Denkmalpflege kann nicht teuer genug sein? drauflos gewurschtelt. Und in der Rolle des Denkmalverteuerers scheint sich dieser Teil der Denkmalpflege auch noch selbst sehr zu gefallen! Was für eine Ironie, dafür auch noch öffentlich beanspruchen zu wollen, ?verantwortungsvoll(e)? gehandelt zu haben!
Wer profitiert eigentlich von solch einer denkwürdigen Sanierung?
? Das Baudenkmal und der Steuerzahler jedenfalls nicht!
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