Prävention für unsere Baukultur - Pflegen statt Sanieren

Hilferufe für die Erhaltung bedrohter Bauten - Wenn der Bagger droht!
Alexander von Spiegel | AS Grafschaft Ravensberg-Senne
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Prävention für unsere Baukultur - Pflegen statt Sanieren

Beitrag von Alexander von Spiegel | AS Grafschaft Ravensberg-Senne »

Prävention für unsere Baukultur - Pflegen statt Sanieren

als Multiplikator für Arbeit, Substanz- und Werteerhalt.



Eine Ausrichtung zur mehr Bewahrung und Entwicklung der Baukultur bedeutet notwendiger Weise einen Umbruch und eine Neuordnung der bisherigen Strategie, zu mindestens in der Denkmal- und der Bauwerkspflege. Denn nicht die historischen Bauten sind Ursache des Substanzverfalls und der Leerstände in Städten, Dörfern und Landschaften, sondern die bisherige staatlich dominierende Zielumsetzung.

Vorab bedarf es einer Analyse der strukturellen Defizite: Defizite genereller und raumplanerischer Art - Leerstand von Gebäuden
- Informationen über die derzeitige Nutzung sind nicht verfügbar
- Es gibt keine systematischen Zukunftsprognosen für einzelne Denkmale und erhaltenswerte Bauten
- Die Vermittlung ?notleidender? Denkmale ist z.Z. auf besondere Fälle beschränkt
- Es fehlt eine systematische Strategie, wie die Denkmäler ? u.a. auch durch Umnutzung ? erhalten und weiterentwickelt werden können
- Präventionsmaßnahmen und Inspektionen werden bis heute nicht gefördert, scheitern an den Bagatellgrenzen der Förderrichtlinien.

Defizite bei der konkreten Erhaltung und Pflege einzelner erhaltenswerter Bauten:
Informationsdefizite der Denkmalbehörden
- Die Kenntnis des aktuellen Zustandes der Gebäude ist sehr begrenzt
- Es gibt so gut wie keine Daten zum Reparaturstau
- Es gibt keinen zuverlässigen Nachweis für fahrlässig oder vorsätzlich unterlassene Unterhaltungsmaßnahmen
- Regelmäßige Inspektionen finden nicht statt
- Zur Frage einer ?Denkmal- u. Monumentenwacht?
- Zur Frage der Einbindung privater Akteure

Hieraus folgernd gibt es Lösungsvorschläge, denn den Problemen kann nur abgeholfen werden, wenn
- rechtzeitig erkannt wird, dass die wirtschaftliche Grundlage für die Bewahrung der erhaltenswerten Bauten bedroht ist
- unterlassene Reparaturen erkannt und Sofortmaßnahmen eingeleitet werden
- möglichst im Vorfeld und aktiv auf einem in allem möglichst konfliktarmen Weg nach anderweitigen Möglichkeiten zur Nutzung und damit zur Erhaltung der Gebäude gesucht werden kann.

Ein regelmäßiger Inspektionsdienst (?Denkmal- u. Monumentenwacht?), mit zuverlässiger Dokumentation, würde alle wesentlichen geschilderten Probleme zuverlässig beheben. Aufwendige Sanierungen werden vermieden, wertvolle historische Substanzen bleiben erhalten. Die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel können breiter gestreut werden.

Mit der Einführung einer ?Denkmal- und Monumentenwacht? würde auch das neue Berufsbild des Denkmalwächters, analog zum Landschaftswächter oder zum Straßenwächter (ADAC) entstehen. Hier könnten sich berufliche Chancen für ältere Bauhandwerker, Frauen im Bauhandwerk und gerade für Jugendliche entwickeln.

Wir rufen alle Interessenverbände, die Denkmalschutzbehörden und die Landesregierung auf, kurzfristig:
- ein Pflegekonzept inkl. Richtlinienentwürfe zu erarbeiten, nach dem ein derartiger regelmäßiger Inspektionsdienst für alle erhaltenswerten Bauten und Baudenkmale in NRW ins Leben gerufen werden kann.
- ein Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit den privaten Akteuren anzuschieben und umzusetzen
- Richtlinien (inkl. Förderrichtlinien und Abschreibungsmodalitäten) nach dem Prinzip ?Pflegen vor Sanieren? zu erarbeiten
- die Mitwirkung von Verbänden der Bauwerkserhaltung im Denkmalschutzgesetz, als anerkannte Verbände, analog zu den §29iger Verbänden im Naturschutz (BNatSchG), zu sichern.

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Alexander von Spiegel
salinodg
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Re:Prävention für unsere Baukultur - Pflegen statt Sanieren

Beitrag von salinodg »

Hallo miteinander,

der hier aufgestellte Grundsatz ?Pflegen vor Sanieren? ist sicherlich (uneingeschränkt) begrüßenswert. Die Details der weiteren Ausführungen ? so richtig die Thesen und Überlegungen auch sein mögen ? sind m.E. zu einseitig.

Die Erhaltung der Bausubstanz historischer Häuser sollte sich nicht vorrangig auf ?Denkmäler? konzentrieren sondern muß weitergehen. Der Großteil der Aufgaben liegt unterhalb der hier gesetzten Messlatte, nämlich dort, wo die Masse der privaten Besitzer häufig nicht weiß, wie sie ihr Haus richtig pflegen sollen.

Eine Konzentration auf die häufig prestige-trächtigen Objekte lenkt nur von der eigentlichen Problematik ab und verstellt den Blick der Beteiligten.

Hier wäre doch etwas mehr Breitenarbeit wünschenswert.

Gruß

salinodg
Dietmar Fröhlich
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Re:Prävention für unsere Baukultur - Pflegen statt Sanieren

Beitrag von Dietmar Fröhlich »

Hallo Salinodg, Hallo Alexander, Ihr habt beide recht. Aber um überhaupt Breitenwirkung zu erreichen, muß erst einmal oben angefangen werden. Ganz weit oben, am besten bei der Kulturstaatsministerin. Vielleicht könnte der schlimme Brand in Weimar in der Anna Amalie Bibliothek ein Auslöser sein ? Eine Monumentenwacht in Deutschland wird erst möglich, wenn das politisch so gewollt ist. Doch dafür sind noch enorme Anstrengungen möglich.
Freilich wäre es optimal, wenn solch ein System Monumentenwacht nach dem Anlaufen auch bis unterhalb der Denkmallinie wirksam werden könnte. Wir müssen das nur immer wieder fordern. Die privaten Hauseigentümer und kleine Firmen helfen sich auch so zunehmend immer mehr gegenseitig, - siehe entsprechende Internetseiten.
Eine funktionierende grundsätzliche Vorsorge aber ist nur über die politische Schiene möglich. - Dietmar
salinodg
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Re:Prävention für unsere Baukultur - Pflegen statt Sanieren

Beitrag von salinodg »

Hallo Dietmar,

auch wenn wir inhaltlich einer Meinung sind, möchte ich Dir doch in einem Punkt entschieden widersprechen - in der Beurteilung der Zeitachse.

Du schreibst, man muß ZUERST ganz oben anfangen. Ich sehe hier überhaupt nicht die Notwendigkeit eines (zeitlichen) Junktims, sondern man kann und sollte beide Ziele gleichzeitig anstreben. Ich sehe hier auch keinerlei Zielkonflikte.

Wenn ich Deinen Gedanken konsequent-satirisch zu Ende denke, würde das u.U. bedeuten, solange zu warten, bis der Einsatz altbau-verträglicher Materialien eine politischen Persilschein erhält. Das kann es nicht sein.

Wenn ich in meiner unmittelbaren Nachbarschaft herumschaue, fallen mir auf Anhieb ein Dutzend Häuser ein, in denen in jüngerer Zeit an Fachwerkhäusern "modern" herumgepfuscht wurde - und keiner hat's gemerkt. In einigen Jahren werden diese Objekte dann erneut in das Sanierungsstadium kommen, und es ist abzusehen, daß sie dann von irgendwelchen Kistenmachern (aus wirtschaftlichen Gründen) an die Abrissbirne herangerechnet werden.

Von J.H.W. Kraft gibt es die IGB-Publikation "Was wie Machen?". Ich frage mich heute, "wer und wieviel haben diese Schrift gelesen?

Angesichts der Tatsache, daß sich in diesem Aspekt auch IGB-Mitglieder beratungs-resistent zeigen, muß ich wohl annehmen: Nur diejenigen, die es schon vorher wußten!

In der Breitenarbeit ist es nicht 5 vor 12, da sind wir schon 12 Stunden weiter - in tiefster Nacht.

Nicht nur etwas nachdenklich

salinodg
Dietmar Fröhlich
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Re:Prävention für unsere Baukultur - Pflegen statt Sanieren

Beitrag von Dietmar Fröhlich »

Hallo Salinodg, vielleicht habe ich mich etwas unglücklich ausgedrückt, denn ich sehe keinen Widerspruch.
Wie Revolutionen entstehen, muß ich nicht erläutern: Immer dann, wenn Handlungs-Druck groß genug ist. Überspitzt heißt das: Wenn wir nur noch eine Handvoll alte Häuser haben...
Wie Du richtig schreibst: Es merkt keiner was sich (schleichend) verändert. Natürlich sollen und müssen wir kontinuierlich unsere alten Häuser pflegen. Aber gleichzeitig ist es nötig - und das wollte ich hauptsächlich mit der "Politik" sagen - ist es nötig, dieses Thema immer wieder öffentlich und weit oben anzusprechen.
Das Anliegen, das Alexander in diesem Forum angestoßen hat, muß massiv und breit und eigentlich gestern endlich in die Öffentlichkeit. Aber meine Erfahrungen mit großen Parteien waren schon vor zehn Jahren erfolglos. Wir sollten es mal mit Unterstützung von "Persönlichkeiten" versuchen, die sich damit profilieren wollen. Mit der staatlichen Denkmalpflege haben wir eben leider auch unsere Probleme...
Grüße wieder aus MD
Dietmar
salinodg
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Registriert: Mi 19. Feb 2003, 10:04

Re:Prävention für unsere Baukultur - Pflegen statt Sanieren

Beitrag von salinodg »

Tja,

dann warten wir mal auf den Startschuss zur Doppel-Strategie.

"In froher Erwartung" auf ein starkes 2005.

salinodg
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