Abrisse wertvoller Häuser nehmen zu

Hilferufe für die Erhaltung bedrohter Bauten - Wenn der Bagger droht!
hansjürgen.geilert
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Re:Abrisse wertvoller Häuser nehmen zu

Beitrag von hansjürgen.geilert »

Hallo Dietmar Fröhlich,

ich hatte die Frage von Ralf Femmer und das Thema dieser Rubrik dann wohl anders verstanden. Geht es darum, sich als Dogmatiker oder Hartliner zu bewähren oder sollen praktische Schritte entwickelt werden, um " den Abriss wertvoller Häuser" zu verhindern?? Wenn Ansätze, die vielleicht in diesem Kreis neu sind, schon im Ansatz abgewürgt werden, dann bin ich als Doppelmitglied - persönlich und mit dem Verein Volksdorfer Schulkate - wohl im IGB nicht richtig aufgehoben.

Hans-Jürgen Geilert
Dietmar Fröhlich
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Re:Abrisse wertvoller Häuser nehmen zu

Beitrag von Dietmar Fröhlich »

Lieber Hans-Jürgen Geilert,
mit Einzel- und Extrembeispielen, die eher Seltenheitswert haben, will ich bestimmt niemand vergraulen. Das liegt mir völlig fern.!
Man muß nur die gesamte Bandbreite aller Möglichkeiten sehen und dann den eigenen Standpunkt bestimmen. Das Ziel der IGB ist es, möglichst viel alte, wertvolle, einmalige, unwiederbringliche Bausubstanz zu erhalten. Und damit dem allgemeinen Abriß- und Erneuerungsdenken (um jeden Preis & auf Teufel komm raus) alternativ etwas entgegen zu setzen.
Auch wenn neu gebaut wird, dann sollte das Neue dem Alten angepaßt werden - und nicht umgekehrt. Siehe oben links, Link >Was wir wollen.
Nur ein kleiner Teil der Menschen denkt so wie wir, nämlich aus einer langen Geschichte und Tradition heraus - und somit auch weit in die Zukunft hinein. Die Mehrheit zeigt Desinteresse, begnügt sich mit Alltäglichkeiten. (Und wird bei Laune gehalten.)
Die allgemeine Hilflosigkeit im Kampf gegen den Verfall, das Nicht-Weit(er)-Kommen in vielen Einzelfällen hat Ralf Femmer eindrücklich beschrieben. - Das kann man auch von der alten Bausubstanz ganz allgemein auf die Gesellschaft übertragen: Es gibt eine Mehrheit (auch in der Politik), denen unwiederbringliche Werte einfach egal sind.
Deswegen können und dürfen wir (wenigen) aber nicht an Herzdrücken sterben. Im Gegenteil: Es sind noch stärkere Anstrengungen nötig. Ich bin bewußt Außenseiter.
Frohes Schaffen wünscht
Dietmar
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Ralf Femmer | KS Freiberg
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Re:Abrisse wertvoller Häuser nehmen zu

Beitrag von Ralf Femmer | KS Freiberg »

Hallo zusammen,
es ist, denke ich, unbestritten das ein Gebäude eine Nutzung benötigt, da es sonst dem unvermeidlichem Verfall preisgegeben ist.
Für mich persönlich ist es selbstverständlich, jegliche Maßnahmen an einem Gebäude unter größtmöglichstem Substanzerhalt durchzuführen. Natürlich verschließe ich meine Augen nicht vor der Tatsache, dass Umnutzungen i. d. R. auch Anpassungen der vorhandenen Räumlichkeiten an die Wünsche und Vorstellungen der Bauherren beinhalten. Im Zuge solcher Maßnahmen ist immer wieder ein Verlust originaler Substanz zu beklagen. Im Gegenzug wird allerdings auch ein erheblicher Teil erhalten, bzw. das Gebäude komplett vor dem drohenden Verfall gerettet. In sofern ist der kleine Konflikt für mich nicht wirklich nachvollziehbar.
Ich möchte mein Problem noch einmal konkretisieren. Ich bin bereit mit bescheidenen Mitteln und enormen Eifer, ein dem Verfall preisgegebenes Gebäude, zu übernehmen. Für die Erstellung eines Nutzungskonzeptes (sozusagen in Folge der Aufmassarbeiten, Farbgutachten, bauhistorische Untersuchung etc.) bleibt nicht wirklich Zeit. Die Frage ist eigentlich ganz simpel. Welche Möglichkeiten gibt es, ein solches Gebäude zu restaurieren, wenn man nun nicht gerade das Geld im Keller stapelt und eigentlich auch nur den Verlust wertvoller Substanz verhindern helfen will.
Also eine ganz praktische Frage. Wer hat was für welche Erfahrungen und im welchen Rahmen und mit welcher Unterstützung gemacht?
fg
Ralf Femmer
Äußerungen im Forum sind lediglich allgemeine Betrachtungen und daher reine Meinungsäußerungen. Bei Rechtsfragen wird in jedem Fall eine Beratung durch einen Rechtsanwalt empfohlen, bei Sanierungsproblemen eine Einzelberatung durch einen Sachkundigen vor Ort.
Dietmar Fröhlich
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Re:Abrisse wertvoller Häuser nehmen zu

Beitrag von Dietmar Fröhlich »

@ Hallo Ralf,
über solch einen Einzelfall, der garnicht so selten ist, sollten wir am Wochenende in größerer Runde nochmals reden - und dann in der kommenden Woche hier im Forum nochmals informieren.
Viele Grüße wieder
Dietmar
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Ralf Femmer | KS Freiberg
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Re:Abrisse wertvoller Häuser nehmen zu

Beitrag von Ralf Femmer | KS Freiberg »

@Dietmar
na hoffentlich ist dafür auch Zeit. ;)
fg
Ralf
Äußerungen im Forum sind lediglich allgemeine Betrachtungen und daher reine Meinungsäußerungen. Bei Rechtsfragen wird in jedem Fall eine Beratung durch einen Rechtsanwalt empfohlen, bei Sanierungsproblemen eine Einzelberatung durch einen Sachkundigen vor Ort.
Dietmar Fröhlich
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Re:Abrisse wertvoller Häuser nehmen zu

Beitrag von Dietmar Fröhlich »

@ Hallo Ralf,
wir machen solch ein Thema zum TOP während des Außenstellentreffens.
D.
Jürg Schwarz
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Re:Abrisse wertvoller Häuser nehmen zu

Beitrag von Jürg Schwarz »

Hallo,
diesem Beitrag von Dietmar Fröhlich zum Angehen der Problematik kann ich voll zustimmen. Als Stadt- und Regionalplaner in Berlin kenne ich die Bandbreite der Situationen beim Denkmalschutz, in der Stadterneuerung und in den ostdeutschen ländlichen Gebieten.
Es gibt auch heute den selbstlosen Kampf von engagierten Bewohnern um die Rettung von Substanzen, die zunächst offiziell völlig unwichtig waren (z.B. eine erhaltene ehemalige Synagoge und eine Kirchenruine von Schinkel in Berlin-Mitte) - dort war die Denkmalpflege erstmal passiv, verständlich, wenn man ihre Überlastung unterm Investorendruck kennt. Heute arbeitet man da sehr konstruktiv an den Objekten, und vermeidet m.W. auch Überrestaurierung und Pseudo-Historisierung. Bürger, Eigentümer wie die Ev. Kirche und Denkmalpflege haben unter Anstrengungen Kompromisse geschlossen, unter der Maxime, eine tragfähige Nutzung ins Denkmal zu bekommen.

Mein persönlicher Eindruck beim Thema Bauernhaus-Sanierung-Denkmalschutz ist der (wir haben soeben ein Haus in McPomm gekauft, vgl. mein Beitrag in "Altes Haus, was nun?"):
Nach illegalen Abrissen von denkmalwerten Bauernhäusern Mitte-Ende 90er Jahre durch die Besitzer kann ich verstehen, daß das Denkmalamt dann erstmal pauschal Bescheide verteilte. Das löste wieder Verärgerung im Dorf aus, denn da waren die DFE- und Denkmalfördermittel schon sehr knapp geworden. Die steuerliche Förderung scheint für Viele dort nicht zu greifen oder nicht attraktiv zu sein (kein Wunder bei bei einer Arbeitslosigkeit von über 25 % - im Nachbarkreis Uecker-Randow sogar 30 % !!!).
Natürlich muß man auch die Nach-Wende-Haltung vieler Ostdeutscher zum Altbau in das Lagebild nehmen, um zu verstehen. Zum Glück läßt der Drang zum WDVS-Vollkomfort-Glasurziegel-EFH langsam nach...und man muß verstehen, daß in Nordostdeutschland viele Neusiedler aus Ostpreußen leben, die im 1945 zugewiesenen Bauernhaus nie recht heimisch wurden. Aber ich sehe viel Engagement und Zusammenhalt in diesem Dorf, auch für alte landwirtschaftliche und kirchliche Bausubstanz. Fördermittel und ABM werden in der DFE kleinteilig und wirkungsvoll eingesetzt.

Wir haben bis jetzt gute Gespräche mit der Denkmalpflege gehabt, und sind v.a. froh, daß für den Dachausbau keine Baugenehmigung erforderlich ist. Man ist da froh über jeden Nutzer, vom in diesem Forum beklagten Mißtrauen bisher keine Spur.
Wir werden mit begrenzten Mitteln, aber mithilfe eines altbauerfahrenen Architekten und von guten lokalen Handwerkern in Stufen ausbauen, renovieren, reparieren...

Will verallgemeinert sagen, auch in Antwort auf die Hilferufe im Forum: Es kommt auf viele Faktoren an beim Erhalt der wertvollen Substanzen. Und wo einer nicht stimmt, z.B. wenn kein gesellschaftliches Bewußtsein hierfür besteht, muß dadran gearbeitet werden - "Tag des offenen Denkmals", "Initiative Baukultur" ... Wo Behörden überzogene Standards fordern, sollte man nicht gleich "Schikane" schreien, sondern nach Aus- und Umwegen suchen, das Denkmalrecht bietet doch viele Ausnahmemöglichkeiten. Man kann andere Akteure ins Boot nehmen, die Lokalpresse aktivieren, Stiftungen als Förderer ansprechen - manchmal reicht auch ein Anruf von denen, um im Amt einen Sinneswandel zu bewirken...

Noch ein letzter Gedanke:
Unbedingt muß lokal/regional gegen die Neuausweisung von Bauflächen gekämpft werden. Die Neubaugebiete sind der Tod für alte Dorf- und Kleinstadtkerne!
Hier sind ganz dicke Bretter zu bohren, machtvolle Interessenallianzen von Bürgermeistern, Bauträgern und Bausparkassen sind aufzuknacken. Auf Bundesebene wäre die Senkung der MWSt. für Denkmalsanierungen ein gutes Mittel. Ihr müßte zur fiskalischen Ausfallkompensation eine Bodenversiegelungsabgabe gegenübergestellt werden.

Und ein allerletzter:
Demographie und Binnenmigration, d.h. das Schrumpfen der Bevölkerung und die innerdeutschen Wanderungen Ost-West, werden die nächsten Jahre noch zunehmende Probleme beim Substanzerhalt durch Nutzung aufwerfen. Dazu der Niedergang der Landwirtschaft.

Lebendige Dörfer zum Wohnen mit authentischer Substanz könnten die Gewinner der unvermeidlichen Entwicklung werden, aber alle, die das wollen, müssen sich - tja, wie R.Femmer schreibt, - noch mehr anstrengen als schon heute...




Dietmar Frölich hat geschrieben: ...
mit Einzel- und Extrembeispielen, die eher Seltenheitswert haben, ... niemand vergraulen...
Man muß nur die gesamte Bandbreite aller Möglichkeiten sehen und dann den eigenen Standpunkt bestimmen. Das Ziel der IGB ist es, möglichst viel alte, wertvolle, einmalige, unwiederbringliche Bausubstanz zu erhalten. Und damit dem allgemeinen Abriß- und Erneuerungsdenken (um jeden Preis & auf Teufel komm raus) alternativ etwas entgegen zu setzen.
Auch wenn neu gebaut wird, dann sollte das Neue dem Alten angepaßt werden - und nicht umgekehrt. Siehe oben links, Link >Was wir wollen.
Nur ein kleiner Teil der Menschen denkt so wie wir, nämlich aus einer langen Geschichte und Tradition heraus - und somit auch weit in die Zukunft hinein. Die Mehrheit zeigt Desinteresse, begnügt sich mit Alltäglichkeiten. (Und wird bei Laune gehalten.)
Die allgemeine Hilflosigkeit im Kampf gegen den Verfall, das Nicht-Weit(er)-Kommen in vielen Einzelfällen hat Ralf Femmer eindrücklich beschrieben. - Das kann man auch von der alten Bausubstanz ganz allgemein auf die Gesellschaft übertragen: Es gibt eine Mehrheit (auch in der Politik), denen unwiederbringliche Werte einfach egal sind.
Deswegen können und dürfen wir (wenigen) aber nicht an Herzdrücken sterben. Im Gegenteil: Es sind noch stärkere Anstrengungen nötig. Ich bin bewußt Außenseiter.
Frohes Schaffen wünscht
Dietmar
::) ???
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Ralf Femmer | KS Freiberg
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Re:Abrisse wertvoller Häuser nehmen zu

Beitrag von Ralf Femmer | KS Freiberg »

Herzlich Wilkommen und hoffentlich bekommen wir noch mehr so ausführliche Stellungnahmen.
fg
Ralf Femmer
Äußerungen im Forum sind lediglich allgemeine Betrachtungen und daher reine Meinungsäußerungen. Bei Rechtsfragen wird in jedem Fall eine Beratung durch einen Rechtsanwalt empfohlen, bei Sanierungsproblemen eine Einzelberatung durch einen Sachkundigen vor Ort.
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Sven Teske | KS Dahme-Spreewald
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Re:Abrisse wertvoller Häuser nehmen zu

Beitrag von Sven Teske | KS Dahme-Spreewald »

Ahoi miteinander,

wesentlich scheint mir zu sein, Gemeinden Hilfestellungen anzubieten. Nicht selten können wir erleben, dass Gebäude nur deshalb verfallen weil sich niemand findet, der eine Notreparatur für Kleinstbeträge durchführt. Weiterhin ist dem Image entgegen zu arbeiten, dass das Bauen im Bestand nicht zwingend teurer sein muss, als ein nettes schlüsselfertiges Häuschen aus dem Katalog. Dies gilt insbesondere in dieser Zeit, in der die Anschaffungskosten eines bestehenden Gebäudes so günstig sind wie schon lange nicht mehr.

Die Denkmalbehörden können selbstverständlich einen (wesentlichen !)Teil dazu beitragen, dass das Interesse ein Denkmal zu sanieren wächst. Wir machen häufig die Erfahrung das es keinerlei Bewußtsein dafür gibt, dass die Maßnahmen und den Bauablauf hemmende Auflagen auch bezahlt werden müssen. Zuweilen hat man den Eindruck das Entscheidungen eher "religiös" motiviert sind. Hier würden wir uns mehr Augenmaß und Pragmatismus wünschen.

Zur Ehrenrettung der Denkmalpflegebehörden möchte ich allerdings feststellen, dass die Bereitschaft auf einen Bauherren zu zugehen und nach Lösungen zu suchen, in einigen Landkreisen deutlich zugenommen hat.

Energisch widersprechen möchte ich der Auffassung, dass sich ein (Teil)-Neubau der alten Bebauung anpassen sollte. Das etwas einfach nur "alt" ist, ist nach meiner Auffassung keine Qualität an sich. Vielmehr muss sich ein Altbau, u.U. auch ein Denkmal im Hinblick auf zeitadäquate Nutzungsanforderungen hinterfragen lassen. Ein guter Ansatz scheint mir zu sein, das Prägende, das (kulturhistorisch-) Wertvolle oder das Wesen eines Gebäudes herauszuarbeiten und hieran die Determinaten einer (ggf. denkmalgerechten) Sanierung festzumachen. Das schafft an anderen Stellen die oftmals benötigten Freiräume, um das Gebäude in eine zeitgemäße Nutzung zu überführen. Einen solchen Umgang mit Bestandsbauten (auch Denkmälern) kann man besonders in Italien bestaunen. Empfehlen möchte ich in diesem Zusammenhang die Lektüre von Arbeiten es Architekten Carlo Scarpa (handwerklich erstklassig !).

Insoweit ist das in diesem Forum hin und wieder auftauchende Gleichnis vom "Kistenbauer", eine unzulässige Verkürzung des Problems.

So viel für heute...


Viele Grüße, Sven Teske
Teske + Schwiede Architekten
Sachverständige für Schäden an Gebäuden

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