Liebe Ulrike, lieber Jens,
ich möchte meine Anmerkungen gar nicht in einem messianischen Sinne verstanden wissen. Die Frage ist doch nicht, ob wir uns zu irgendwas berufen fühlen. Das tun doch offensichtlich alle Mitglieder dieses Vereines - sonst wären sie doch gar keine Mitglieder. Die Frage ist doch eher, WOFÜR die Organisation, die anerkannte Kompetenz und das öffentliche Gehör das dem Verein zu Teil wird, genutzt werden.
Ich habe mehrfach kritisch hinterfragt, ob ein Verein der bundesweit aufgestellt ist, der es sich selbst zur Aufgabe gemacht hat ein Sachwalter gerade auch für "...Gebäude unterhalb des Denkmalwertes..." zu sein, der eben nicht die isolierte, beziehungslose (denkmalpflegerische) "Rosinenpickerei" als sein Tätigkeitsfeld definiert hat, seine Aufgabe in diesem Sinne erfüllt. Ich glaube das es erforderlich ist, sich auch oder sogar vor allem mit den Randbedingungen des ländlichen Lebens auseinanderzusetzen und diese mit dem Ziel zu befördern, dass ein Leben im ländlichen Raum möglich UND attraktiv ist. DANN wird man auch Nutzer für Bestandsgebäude finden, DANN ist auch der Betrieb einer Immobilie auf dem Lande ein lohnendes Geschäft, die eine Instandhaltung überhaupt erst möglich macht.
Es nützt nach meiner Auffassung nichts, sich gegen den Abriss eines einzelnen Gebäudes zu positionieren, damit womöglich sogar Erfolg zu haben, sich für EINE beispielgebende, denkmalgerechte Restaurierung auf die Schulter zu klopfen, während an anderer Stelle ganze Landstriche verwaisen und Dörfer im wahrsten Sinne aussterben - nicht selten, weil niemand da ist der Perspektiven aufzeigt und entwickelt, die es durchaus gäbe oder der als Lobbyist für solche Dörfer auftreten würde.
Das mag aus der Schweizer Sicht kaum nachvollziehbar sein, aber die Präferenz für ein Leben auf dem Lande besitzt hierzulande eine deutlich abnehmende Tendenz. Das kann man leicht an den Immobilienpreisen ablesen. Wer bereit ist, in Bereiche Ost- oder Nordbrandenburgs, nach Meck-pomm oder nach Sachsen-Anhalt zu ziehen, der kann ganze Höfe bereits für 4-stellige Beträge kaufen. Interessiert ? Bereits heute ist es in etlichen Landkreisen nicht mehr ohne weiteres möglich das junge Familien zuziehen, weil weder die ärztliche noch die schulische Versorgung für die nähere Zukunft sichergestellt sind.
Es geht aber auch anders : Man kann sich in der Gemeindevertretung engagieren und z.B. in den Bauausschuss gehen (und falls es keinen gibt, dann sorgt doch dafür das sich das ändert). Das ist ausgesprochen sinnvoll, weil dort immer wieder Bürger mit Beratungsbedarf auftauchen. Gleichzeitig kann man noch auch auf die Planungshoheit der Gemeinde einwirken, z.B. bei der Aufstellung von Flächennutzungsplänen u.dergl.
Da kann man was bewegen. Man kann sich in der Gemeinde dafür einsetzen, dass nicht allzu beliebig Entscheidungen herbeigeführt werden, in dem man ein Leitbild für die Gemeinde erarbeitet, an dem sich dann Entscheidungen messen lassen müssen. Das wissen auch die Gemeindevertreter zu schätzen, weil sie dann sicherer in den Entscheidungsfindungen sind. Und wenn man seine Bürger beteiligt, dann steigt die "innere Akzeptanz" zum eigenen Umfeld - vielleicht entdeckt der eine oder andere zum ersten Mal die Schönheit seines unmittelbaren Lebensumfeldes.
Man kann sich für unsere "lieben Kleinen" verwenden, in dem man gute Schulen auch im ländlichen Raum einfordert und sich mit dem Bildungsverwaltungen auseinandersetzt um zukunftsfeste Bildungsstrukturen auch für die dünn besiedelten ländlichen Räume sicher zu stellen. Da gibt es echten Handlungsbedarf, das kann ich Euch nachdrücklich aus den Erfahrungen im Landeselternrat Brandenburgs versichern. Im Landesschulbeirat des Landes Brandenburg, dem höchsten Mitwirkungsgremium des Landes in Sachen Bildungspolitik, sitzen alle möglichen Institutionen und mischen mit - warum nicht die IGB ?
Und wenn man es dann noch schafft, nicht als kulturbeflissener Gutmensch aufzutreten, der "...den nachfolgenden Generationen das bauliche Erbe nahe bringen will..." und gleichzeitig mit erhobenem Zeigefinger dasteht und erklärt was alles baulich nicht geht und sein MUSS, sondern als jemand, der Nachbarn einfach bei der Bewältigung einer Aufgabenstellung hilfreich zur Seite steht, dann kann man was bewegen - selbst wenn dann am Ende nicht die beispielgebende Restauration dabei heraus kommt.
Bei der letzten Veranstaltung unserer Bürgerinitiative am vergangenen Freitag, die sich, in engster Zusammenarbeit mit der Gemeindevertretung, u.a. mit der Leitbildentwicklung für unsere Gemeinde im Sinne einer Ökogemeinde befaßt, waren immerhin 70 Leute anwesend....
Verkürzt möchte ich damit erneut anregen, sich dem eigenen Vereins-Selbstverständnis zu zuwenden und nach WIRKSAMEN Eingriffsmöglichkeiten für Vereinsmitglieder zu suchen, diese STRATEGISCH zu entwickeln und zu fördern (andere machen das übrigens SEHR erfolgreich auf dem Lande vor). Kontakt- aber erst recht Außenstellen, müssen nach meiner Auffassung konsequent zu Vernetzungsstellen ausgebaut werden. Die Leute die diese Stellen betreiben, müssten darin ausgebildet werden, zu lernen wie man Netzwerke aufbaut und diese unterhält. Nicht selten scheitert echtes Engagement einfach an der Unkenntnis des WIE und an fehlender Organisation.
Das erfordert aber einen langen Atem und den Willen zur Veränderung.
Gruss, Sven.
p.s. Der touristische Anziehungspunkt (und es ist wirklich einer) unserer Gemeinde ist ein Gebäude von 2009. Ein, im besten Sinne des Wortes, modernes Produktionsgebäude eines Meiereibetriebes
http://www.glaeserne-meierei.de/glasern ... eberblick/ für Biomilchprodukte. Es sind mit nichten immer die Postkartenidylle die die Touristen anziehen.
p.s.s. Weil es vermutlich etwas näher für Jens ist : fahr doch mal nach Weil am Rhein.