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Ochsenblut
Verfasst: Mi 30. Jun 2004, 11:18
von Hausfreund
Hallo,
ich möchte meinen alten Fussbodendielen einen neuen passenden Farbanstrich verpassen. Dazu möchte ich auf die althergebrachte Beschichtung "Ochsenblut" zurückgreifen. Die Farbe als solche ist zu bekommen, aber nur auf den Farbton bezogen. Die Eigenschaft als Fussbodenbeschichtung haben die Fertigprodukte ("Leinos Naturfarben" usw.) nicht.
Eine "Bauanleitung" mit Bindemittel Sumpfkalk Rinderblut, Eisenoxid usw. habe ich bereits im Internet gefunden, aber keine praktischen Hinweis ("bei Mondschein mischen....?) zur Bereitung und Anwendung. Wenn jemand hierzu Tips hat, möge er sie hier mitteilen,
Gruß, Guido (Hausfreund)
Re:Ochsenblut
Verfasst: Mi 30. Jun 2004, 13:01
von Stefan Haar
In diesem Fall würde ich mir kompetenten Rat von Theodor Vollmer einholen (Restaurator)
Schöpf & Vollmer Fachwerkfarben
Rodenberger Straße 26
31867 Lauenau
Tel.+Fax: 05043-3668
Es gab bisher in Farbsachen für mich noch keine Frage, die er mir nicht fundiert und verständlich beantworten konnte.
Wäre prima, wenn das Ergebnis der Anfrage hier im Forum publiziert würde, damit alle etwas davon haben.
Re:Ochsenblut
Verfasst: Do 1. Jul 2004, 08:42
von salinodg
Hallo, bin bei selbstgemachten Farben auch noch am Probieren.
Bei Kremer (Hersteller und Versender von Pigmenten (
www.kremer-pigmente.de) gibt es zwei Original-Rezepte mit Ochsenblut. Ich weiß aber nicht, ob ich mir das antun würde. Ein drittes Rezept (ohne Ochsenblut) ist leider unvollständig. Hier erst einmal eine Rezept-Idee, die ich mir aus verschiedenen Quellen zusammengebastelt habe. Noch nicht ausprobiert ? deshalb möglichst Rückmeldungen über Erfahrungen.
- 100 g Roggenmehl, ca. 250 ml kaltes Wasser
Mehl und Wasser zu Kleister verkochen.
ca. 400 g Eisenoxyd (rot) (zur Farbgebung) und ca. 75 g Eisenvitriol (Holzschutz) in ca. 400 ml heißem Wasser anrühren (Wassermenge ausprobieren und lieber mit weniger anfangen. Zur individuellen Farbgebung können hier evtl. auch noch andere Pigmente verwendet werden.
Kleister und angerührte Pigmente zusammen mit Leinölfirnis ca. ? Stunde kochen. Die Firnis-Menge richtet sich nach der gewünschten Farbintensität. Auch hier lieber mit weniger anfangen. Eine weitere Zugabe von Firnis kann später auch kalt erfolgen. Beim Leinölfirnis darauf achten, daß keine blei-haltigen Sikkative enthalten sind.
Zur Verbesserung der Festigkeit können noch harzige Lösungen zugesetzt werden ? z.B. Kollophonium in Balsamterpentin. Statt Kollophonium (vergilbt schnell und bleibt auch etwas klebrig) können auch andere Harze verwendet werden ? z.B. Dammar (teurer).
Da durch Harze der Lack auch spröder wird, wäre ich hier bei der Mengenzugabe vorsichtig. Vorschlag: ca. 5 ? 10 % fertige Lösung bezogen auf den zugegebenenen Leinölfirnis.
Viel Erfolg und Gruß
salinodg
Re:Ochsenblut
Verfasst: Do 1. Jul 2004, 11:47
von Hausfreund
Hallo Hausfreunde,
vielen Dank für die schnellen Information von S. Haar und salinodog.
Ich kann vor den ersten praktischen Versuchen schon mal auf ein weiteres Rezept von der Farbmühle Kremer verweisen :
http://www.kremer-pigmente.de/ochsenblutr.htm
Man kann ja "Ochsenblut" auch unblutig herstellen, Bindemittel ist hier ...Sumpfkalk!...
Mit selbst eingesumpftem Kalk (jetzt ca 1 Jahr alt) und billiger Schmierseife habe ich bereits mehr schlecht als recht aber immerhin erfolgreich abgebeizt.
Vielleicht gibt der Lauennauer ja ein paar Geheimnisse preis.
Gruß, Guido
Re:Ochsenblut
Verfasst: Sa 3. Jul 2004, 05:46
von salinodg
@ Hausfreund
Erst einmal grundsätzlich in die Runde gefragt: ?Was meinen wir eigentlich, wenn wir von Ochsenblut-Farbe? sprechen??
1. den blutroten Farbton (Ochsenblut) aus dem Pigment ?Eisenoxid-Hämatit? oder
2. eine Farbe mit beliebigem Farbton mit dem zusätzlichen Bindemittel ?Ochsenblut? ?
Eine 3. Frage wäre noch: Auf welchem Untergrund soll die Farbe verwendet werden.
Mir gehen die Begriffe generell ? nicht nur hier ? allzu sehr durcheinander und würde deshalb gern mal einen Ansatz zur Deutung vornehmen. Leider habe ich zum Thema Ochsenblut auch in der Literatur explizit wenig oder garnichts gefunden, außer einer Vielzahl von Vermutungen.
Vorab: Das Pigment Eisenoxid ist kalkecht und läßt sich deshalb auch in alkalisch-wässrigen Bindemitteln (Kalk) einsetzen. Kalk hat aber im Farben-Bereich eine Mehrfachfunktion. Er ist zugleich Bindemittel und Pigment. Die Bindemittel-Funktion von Kalk für weitere Pigmente ist jedoch sehr begrenzt und liegt bei max. 10% des unverdünnten Kalkanteils. Ergo können unabhängig vom verwendeten Pigment mit Farben auf ausschließlicher Kalkbasis nur sehr helle Farbtöne (Pastelltöne) erzeugt werden.
Will man mit Kalkfarben dunkle(re) Töne erzeugen, bedarf es also weiterer Bindemittel oder Zusatzstoffe. Das können Leim, Kasein u.a. sein, aber auch ölige Substanzen. Prinzipiell verlassen wir jetzt den Bereich der wässrigen Bindemittel. Solange nur Kleister und Leime mit im Spiel sind, kann man das ganze noch als eine Mischung wässriger Bindemittel auffassen (Leime und Kleister halten durch ihre Dickflüssigkeit die Pigmente in der Schwebe. Kommen jedoch Öle hinzu, haben wir es grundsätzlich mit einer Emulsion zu tun, die zwar mechanisch vermischt werden kann, jedoch nicht stabil ist. Die Mischung trennt sich wieder, da ein Emulgator fehlt. Als Emulgator können eiweißhaltige Substanzen eingesetzt werden, z.B. Milch, Kasein, Hühnereiweiß und auch Ochsenblut (Serum). Diese Substanzen müssen jedoch durch Kalk aufgeschlossen werden ? allein sind sie ?wirkungslos? (die 3. Funktion von Kalk in Farben).
Wenn also Ochsenblut verwendet wird, soll es nicht als Farbstoff dienen, sondern allein zur Herstellung einer Emulsion ? landläufig auch Binder genannt. Da ? i.d.R. ? auch nur das transparente Serum verwendet wird, kann hierdurch auch keine Farbgebung erzielt werden. Würde man nicht nur das Serum verwenden, sondern das komplette Ochsenblut, ergäbe das auch keine ?rote Farbe?, sondern durch Oxydation eine schwarze Pampe. Schließlich ist ja auch die bekannte Blutwurst ? in einigen Landstrichen auch Rotwurst genannt ? nicht rot, sondern schwarz.
Eine derartige Emulsion ist dann wieder mit kalkechten Pigmenten fast beliebig abtönbar ? auch mit anderen Farbtönen als Rot. Die Rotfärbung erfolgt dann also durch Erdfarben (Eisenoxid) oder auch durch andere ? auch synthetische - kalkechte Pigmente.
Diese Form der ?Ochsenblutfarbe? (s,o. 2.) kann also durchaus auch ?blau? sein, aber nicht deshalb, weil man eventuell den Ochsen vor der Exekution besoffen gemacht hat !!!
Kommen wir jetzt zum Untergrund: Kalk und Kalkfarben erhärten durch Karbonatisierung (Aufnahme von CO2 im feuchten Zustand) und sollten nur auf alkalischen Untergründen (möglichst frisch) eingesetzt werden ? nicht auf Holz, da hier keine Verbindung mit dem Untergrund eingegangen wird. Verputzte Gefache sind aber sehr wohl damit ?blutrot? zu streichen.
Auf Fußbodendielen eingesetzt, würde sich dieser Belag sehr schnell wieder ablatschen !!!!!
Hier bleibt dann also nur noch eine ?Ölfarbe? (ohne Kalk) mit entsprechenden Pigmenten ? für den gewünschten Farbton ?Ochsenblut? also Eisenoxid-Hämatit, manchmal auch Englischrot genannt. Da dieser Einsatz in der Eingangsfrage auch im Vordergrund stand, hatte ich in meinem Beitrag u.a. auch keine Rezeptur auf Kalkbasis vorgeschlagen.
Fazit für heute: Ochsenblut macht noch lange keine Ochsenblut-Farbe !!!
Gruß
salinodg
Re:Ochsenblut
Verfasst: Sa 3. Jul 2004, 06:24
von salinodg
@ Hausfreund / Nachtrag zum Abbeizen
Die Mischung aus Sumpfkalk oder eingesumpften Kalk mit Schmierseife funktioniert tatsächlich. Nach einigen Versuchen hier ein vorläufiges Fazit. Öl- und Alkydfarben sind mit dieser alkalischen Paste zu lösen. Je nach Farbe, Anzahl der Schichten und Schichtstärken muß jedoch mit sehr langen Einwirkzeiten gerechnet werden ? teilweise Stunden. Die Mischung trocknet sehr schnell und wird dann wirkungslos und ist selbst dann nur sehr schwer wieder zu entfernen. Dabei stellt sich dann das Problem ? gerade bei senkrechten Flächen ? daß die Mischung entweder sehr feucht eingestellt sein muß und dann nach unten wegläuft oder mit einem Sprüher ständig feucht gehalten werden muß. An einem Fachwerkriegel habe ich einen ganzen Nachmittag herum experimentiert. Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen, ich wage jetzt aber garnicht, einmal den Zeitbedarf für das ganze Haus hochzurechnen.
Die Alternative mit industrieller ?harter Chemie? scheidet aus grundsätzlichen und Kosten-Erwägungen aus. Ich werde jetzt noch einen Versuch mit Natronlauge und anschließender Neutralisierung mit verdünnter Essigsäure machen.
Erfolgreicher scheinen mir jedoch im Moment die mechanischen Alternativen Sandstrahlen oder (relativ weiche) Walzenbürste. Da Sandstrahlen kaum als ?Heimarbeit? möglich ist, suche ich noch nach einer entsprechenden Walzenbürste. Hat da jemand einen Tipp / Gerätevorschlag
Gruß
salinodg
Re:Ochsenblut
Verfasst: Sa 18. Feb 2006, 13:33
von salinodg
Hallo miteinander,
in den Vorträgen des Hessenparks fand ich einige, m.E. sehr gute Erklärungen zu diesem Thema:
FeO + SO2), welches hauptsächlich aus Eisenoxid besteht. In Pulverform wird es als Schleifmittel bzw. rote Anstrichfarbe, oft mit
Violettfarbstich verwendet. Wenn es aus schwedischer Produktion kommt, trägt es auch den Namen ?Schwedenrot?, welcher als Hausanstrich auch heute noch häufig in diesem Land zu finden ist.
Blutstein
Auch Hämatit, Bergrot, Roteisenstein, Roter Glaskopf, Persisch Rot, Spanisch Rot genannter Stein, welcher aus Eisenoxid besteht und als Stein braunrot bis stahlgrau und als Pulver rot aussieht. Der Stein wird zum Beschriften von Bauteilen benutzt, das Pulver als Schleifmittel und als Anstrichfarbe. Neben Blutstein wird auch Eisenglanz (Stein aus kristallisiertem Eisenoxid) gepulvert als Anstrichfarbe verwendet.
Marsrot
Bei diesem Pigment wird künstlich aus einer Lösung gefälltes Eisenoxid getrocknet (Marsgelb) und durch Brennen in die rote, wasserfreie Art umgewandelt. Es handelt sich um ein besonders reines, farbintensives Material, da keine Verunreinigungen wie Ton oder Sand vorhanden sind. Im Vergleich dazu besteht Terra di Siena aus nur ca. 50 % Eisenoxid.
Die weiteren historischen Rotpigmente Zinnober und Mennige sind im Farbton eher orange, Krapplack und Karmin verblassen schnell und haben eine zu geringe Deckkraft. Zudem waren diese Farben zu teuer für den Anstrich großer Flächen. Moderne Rotpigmente wie Chromrot oder Kadmiumrot wurden erst nach 1900 im größeren Maßstab hergestellt bzw. benutzt.
Unter der historischen Fachwerkfarbe ?Ochsenblut? ist somit eine Ölfarbe (Leinöl, weil einziges altes wetterfestes Bindemittel) mit rotem Ocker bzw. rotem Ton gefärbt (je nach örtlichem Vorkommen) zu verstehen.