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Mörtel für Segmentbogen
Verfasst: Fr 4. Aug 2006, 22:36
von Ralph Fischer
Nabend zusammen!
Ich habe heute angefangen, einen Flügel eines Scheunengiebels zu "bearbeiten".
Eigentlich soll nur der Ortgang eine ordentliche Windfeder bekommen. Zur Zeit sind die letzten Ziegel mit einem Haufen Zement auf die Mauerkrone gepappt.
Durch Setzungen ist da alles mögliche gerissen und verschoben.
Wenn ich schon mal dabei bin, verfuge ich natürlich auch gleich den Sockel neu (die Fugen bestehen teilweise nur aus Sand oder auch nichts).
Die im Bild sichtbaren Brutal-Reparaturen unter dem Fenster ebenfalls.
Bei der Gelegenheit muss ich auch den Sturz über dem Fenster neu mauern. Die (im Bild) rechte Kante der Mauer ist nach aussen weggegangen, der Sturz in Folge abgesackt. Jetzt hält er wohl nur noch, weil er auf dem Fenster aufliegt.
Na gut, ich habe mich also mit der Theorie des Segmentbogens befasst, und las mit Erstaunen:
Als Baustoffe für Mauerwerksbögen darf nur druckfestes Baumaterial verwendet werden (NF, Beton- oder lagerhafte Natursteine, Kalkzement- oder Zementmörtel).
Quelle (und auch sonst sehr lesenswert zu dem Thema, incl. Excel-Blatt zur Berechnung von Bögen aller Art):
http://land.salzburg.at/lbs-wals/vwrl/w ... /bogen.htm
Dolle Sache. Wir meiden Zement wie die Pest, unter anderem, weil unser Haus auf Pfahlgründung in einem Moorgebiet steht und ständig in Bewegung ist. Wo Zement bisher für Reparaturen verwendet wurden, riss später nicht die Fuge, sondern der Stein, was einem Totalschaden gleichkommt (und einen Haufen Arbeit macht).
Aber: der Techniker in mir sagt, daß in einem Segmentbogen natürlich enorme Druckspannungen auftreten, die ein Mörtel aufnehmen können muß. CL90/Sand ist aber nicht gerade die druckfesteste Kombination...
Mir ist so, als hätte ich gerade die Wahl zwischen Pest und Cholera...
Was nu?
Grüsse aus der Wesermarsch
Ralph
Re: Mörtel für Segmentbogen
Verfasst: Fr 4. Aug 2006, 23:26
von salinodg
Hallo Ralph,
die Druckfestigkeit eines reinen Kalkmörtels geht gegen NULL. Deshalb darf damit auch nur max. 2-geschossig bei 24 cm Wandstärke gebaut werden. Ich kann jetzt nicht beurteilen, welche Druckfestigkeit der Mörtel in Deinem Segmentbogen erreichen muss. Falls Du mit 2,5 MN/m? hinkommst, kannst Du noch mit einem hydraulischen Kalkmörtel (Trasskalk) hinkommen. Darüber mußt Du aber bereits in die MG IIa gehen (Kalkzementmörtel).
Gruß und erfolgreiches Rechnen
Re: Mörtel für Segmentbogen
Verfasst: Sa 5. Aug 2006, 23:53
von Ralph Fischer
Moin!
Besten Dank für Deine Hinweise.
Die Wahl wäre also Traßkalk oder Kalkzement.
Eine Frage am Rand: wo kauft man eigentlich Traß? Ich habe das bei noch keinem Baustoffhändler sackweise rumliegen sehen...
Ein Gedanke kam mir heute morgen noch: Der Sturz ist abgesackt, weil der Mauerpfeiler (Scheunenecke, rechts im Bild) auf dem Weg nach aussen war/ist.
Der Bogen liegt jetzt praktisch auf dem Fenster auf und bewirkt keinen horizontalen Schub mehr.
Baue ich den Bogen jetzt neu auf mit einem druckfesten Mörtel, gibt es wieder diese Schubspannung.
Wenn wir Pech haben, geht der Pfeiler dann wieder weiter nach außen und nimmt die halbe Scheunenwand mit.
Was ist denn von der Idee zu halten, den Bogen praktisch als Sollbruchstelle mit Kalkmörtel auszuführen?
Wenn der in 10 Jahren wieder runterkommt, ist er an einem Wochenende erneuert, zumal der Lehrbogen dann ja noch in der Ecke steht´
Wenn ein Teil der Scheunenwand nach außen kippt, ist das ein deutlich größerer Akt...
Ralph
Re: Mörtel für Segmentbogen
Verfasst: So 6. Aug 2006, 01:17
von Wolfgang Riesner
Hallo Ralph,
nach dem Foto zu urteilen, hat der Stichbogen über dem Fenster nicht viel zu halten. Die Druckspannungen in den Mörtelfugen dürften recht gering sein. Das würde sicherlich auch mit Lehmmörtel funktionieren solange er nicht naß wird. Gegen einen Kalkmörtel hätte ich also keine Bedenken. Ein Mörtelrezept findest du in diesem Forum unter dem Thema "Mauern mit Muschelkalk übertrieben?" in meinem Beitrag.
Deine Vermutung, daß der Stichbogen wegen des sich nach Außen verschiebenden Auflagers nicht gehalten hat, ist vermutlich richtig. An Gebäudeecken oder bei geringer Auflast im Auflagerbereich (z.B. wg Dachschräge, so wie bei dir) kann das schon mal vorkommen. Sonst sind Stichbögen, im Gegensatz zu Korbbögen die für Dielentore mal große Mode waren, sehr haltbar.
Eventuell läßt sich das Problem jedoch lösen oder mildern, wenn du ein paar Rundstähle mit 6mm Durchmesser in die über dem Stichbogen befindlichen Lagerfugen einfügst. Evtl. mußt du dazu auch einige Schichten neu mauern. Auf ausreichende Auflagerbreiten und Mörtelüberdeckung solltest du achten. Um die Auszugsfestigkeit aus dem Mörtel zu erhöhen, sollten die betreffenden Lagerfugen mit Kalkzementmörtel gemauert werden. Du kannst die Eisen auch mit Zementschlemme bestreichen. Wichtig ist die gute Verbindung zwischen dem gerippten Rundstahl und der Mörtelfuge. Dieser Anker kann dann deine Gebäudeecke bis zu einem gewissen Grad an der Flucht nach außen hindern.
Noch mal zum Mörtel für den Stichbogen. Mach die Fugen auf der Bogeninnenseite möglichst dünn, also in Grenzfällen ruhig einen Stein mehr vermauern wenn er reinpaßt.
Gutes Gelingen wünscht Wolfgang Riesner
Re: Mörtel für Segmentbogen
Verfasst: So 6. Aug 2006, 13:45
von Dietrich Maschmeyer
@ salinodg: Die Druckfestigkeit von Kalkmörtel ist zwar gering, aber die Kirchtürme der Backsteingotik sind auch nur damit gemauert. Für die normale Flächenpressung in Backsteinmauerwerk reicht sie auch noch bei zig Geschossen aus. Kritisch sind nur dünne (mit Betonung auf dünn) Pfeiler, die gewaltige Lasten tragen. Den grossen Vorteil eines weichen Mörtels bei Ziegelmauerwerk sollte man nicht übersehen: Nämlich den Druck gleichmässig zu verteilen und somit flexibel auf Setzungen zu reagieren. Ist der Mörtel härter als der Stein - und das ist bei Zement in der Regel der Fall - dann setzt sich nicht das Gewöbe. wie es soll, sondern es reissen die Steine, wie hier ja auch beobachtet
Ich möchte den ausfürhlichen Ausführungen von Wolfgang Riesner noch etwas entscheidendes hinzufügen. Ursache für ausweichende Seitenwände ist häufig nicht nur der Boden allein, sondern auch der Schub der Dachkonstruktion wirkt oft kräftig mit. Der ergibt sich fast immer entweder aus Setzungen der Sparren und Aufschieblinge oder auch durch Absacken des Kerngerüstes. In der Regel wurden solche Aspekte beim Bau der Gebäude nicht hinreichend beachtet. Hier sollte man zur Vermeidung erneuter Schäden mal nachsehen und ggf. einige statische Ergänzungen (Zuganker, gleitende Lagerung des Dachfusses auf der Mauerkrone etc.) vornehmen.
Im Prinzip kann man den versackten Sturz sogar ohne Rausreissen sanieren. Fugen säubern, gut anfeuchten, Steine in richtiger Position fixieren und neu ausfugen (aber bitte nur allenfalls mit hydraulischem Kalk, siehe oben!). Ob die von Wolfgang Riesner vorgeschlagenen kurzen Zuganker in der Fuge (die ich selbst auch schon mit Erfolg eingesetzt habe) hängt von der Labilität des Gebäudes ab. Auf jeden fall müssen sie die statische Schwachstelle der Flügelmauer - die Fensteröffnung - weit genug übgerbrücken, sonst reisst es ggf. an anderer Stelle daneben.... Also wie oben gesagt Gesamtstatik der Seitenschiffe ansehen, Schubkräfte geeignet abführen und ggf. besser gleich einen Ringanker auf die ganze Mauerkrone legen.
Re: Mörtel für Segmentbogen
Verfasst: Mo 7. Aug 2006, 21:07
von Ralph Fischer
Moin!
So, ich noch mal...
Dank Eurer vielen Tips und Hinweise habe ich jetzt eine Entscheidung getroffen: ich werde es mit einem reinen Kalkmoertel versuchen. Der erste hat 110 Jahr gehalten. Wenn meine Reparatur genauso lange hält, bin ich zufrieden :-)
Aber hier kommt gleich die nächste Frage: am Wochenende habe ich den Sockel etwas freigebuddelt, um mir die Fugen dort anzusehen und auszubessern. Da ist so einiges zu tun. Nur: welchen Mörtel nehme ich da?
Die Fugen sind ständig in der Erde, links in der Ecke endet ein Fallrohr der Regenrinne, alles ist also relativ feucht.
Bevor jemandem das Wort "Kanalanschluß" in den Sinn kommt: diese Wassereinleitung ist eine Lebensversicherung für die hölzernen Gründungspfähle, auf denen der ganze Bau steht. Die müssen ständig im Wasser stehen, sonst faulen sie ziemlich schnell weg.
Ein reiner Kalkmörtel scheint mir hier nicht so toll...
Übrigens scheint der Sockel auch ein Grund für die Rißbildung in der Mauer zu sein: an der Außenseite sind etliche Fugen mangels Inhalt zusammengesackt, die Wand hat also auch eine horizontale Beule nach außen. Ein schlauer Mensch hat irgendwann einmal teilweise eine zusätzliche Steilage in der Außenschicht eingebaut. Den Anfang dieses "Keils" habe ich in dem angehängten Bild mit einem Pfeil markiert.
@Dietrich: auf den vorgeschlagenen Ringanker über die Mauerkrone komme ich garantiert noch einmal zurück, das klingt nach einer guten Lösung.
Zur Zeit besitzen alle Scheunenecken so eine Art "Münchhausen-Statik" (sie ziehen sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf, ahem, Moor): aussen an der Ecke ist ein Flacheisen, innen ein Holzbalken. Beide sind mit 3 Schrauben verbunden. Von der oberen Schraube geht ein Flacheisen (Kaliber 5 x 50, St37) schräg die Giebelwand hoch und ist etwa auf halber Höhe mit einer Schraube (ca. M20) in der Giebelwand verschraubt, selbstverständlich ohne Gegenplatte außen. Genauso selbstverständlich sind die Giebel kurz hinter der Schraube vom Boden bis in die Krone gerissen. Das klingt schräg, ist aber die Standard-Repararturmethode in der Gegend gewesen. Mit den gerissenen Giebeln als Standard-Folge...
Bei Interesse kann ich da gerne noch ein paar Bilder zugänglich machen.
Vielen Dank bis hierhin für die vielen Antworten. Keine brachte die Patenlösung (wie könnte sie auch), aber jede gab mir ein paar Stupser zum eigenen Nachdenken, Nachgucken und Entscheiden. Besser kann ein Forum nicht funktionieren...
Ralph
Re: Mörtel für Segmentbogen
Verfasst: Mo 7. Aug 2006, 23:05
von Dietrich Maschmeyer
Gratuliere zu der Entscheidung.
Unter der Erde hat Kalkmörtel allerdings nichts zu suchen, also entweder Trasskalk oder Zement nehmen - bei diesem Fundament würde ich prosaisch letzteres nehmen. Wenn nicht eine Fundamentverstärkung angesagt ist. was man vor Ort beurteilen sollte. Wenn nur in Erdboden höhe die fugen tief ausgewaschen sind und nachfugen nicht mehr möglich, einige Reihen neu reinmauern, vielleicht gleich die Horizontalsperre mit einbauen.
Dass Regenwasser das Holz konserviert, ist ein frommer Aberglaube! Holz rottet nur dann nicht im Wasser, wenn das Wasser sauerstoffrei ist, und das ist nur Grundwasser. Regenwasser ist mit Sauerstoff gesättigt! Irgendwo im Boden gibt es eine Tiefe, in der der Sauerstoff verbracuht ist. Darüber heisst das Oxidationshorizont (Sand dann gelb), darunter Reduktionshorizont (Sand grau). Und diese Grenzlinie geht mit zunehmenden Niederschlägen runter!
Die "Münchhausen-Statik" müsste man mal in einer Zeichung sehen, das kann man sich nach der Beschreibung kaum vorstellen. klingt allerdings improvisiert. Der vorgeschlagene Ringanker nutzt allerdings nur was, wenn die Wand nicht wegen Fundamentermüdung "drunter weg bricht. Wenn die Fugen nicht zu sehr gerissen sind, kann man auch verbeulte Wände wieder richten, aber da sollte man Erfahrung drin haben. Also ist wohl mal Beratung durch Fachmann vor Ort angesagt, wie man sieht.
Re: Mörtel für Segmentbogen
Verfasst: Di 8. Aug 2006, 11:06
von Ralf Femmer | KS Freiberg
Hallo Ralph,
also mit den Ringankern ist das so 'ne Sache. Heutzutage ein sehr beliebtes Mittel in der Stabilisierung von Mauerwerksbauten in Verbindung mit "modernen" Dachkonstruktionen, waren diese in frühren Zeiten gar nicht von Nöten, da recht simple Konstruktionsprinzipien eingehalten wurden.
Es ist sicherlich keine neue Erkenntnis, das Mauerwerk aus sich heraus nicht Standsicher ist. Um aber die Gebäude nachhaltig zu stabilisieren zu können, dienten i.d.R. die vorhandenen Holzkonstruktionen. In so fern ist die Aussage nicht ganz schlüssig, das der Schub aus der vorhandenen Dachkonstruktion die Gebäudewände belastet.
Normalerweise stabilisiert, wie schon erwähnt, die Dachkonstruktion das Mauerwerk der Giebelwände.
Bei einer vernünftig abgebundenen Dachkonstruktion kann unter normalen Umständen kein Schub auf die Traufwände entstehen.
Aus meiner Sicht können für ein solches Problem nur nachfolgende Gründe die Ursache bilden, die es dann auch natürlich so gut es geht, abzustellen gilt:
1. Die notwendigen Maueranker sind nicht oder nicht mehr vorhanden.
2. Setzungen der Traufwände führen zu einer Verschiebung des statischen Systems in der Dachkonstruktion.
3. Schädigungen in den Schwellenbereichen der Dachkonstruktion führen zu Setzungen der selbigen.
Dietrich Maschmeyer hat geschrieben:
Ursache für ausweichende Seitenwände ist häufig nicht nur der Boden allein, sondern auch der Schub der Dachkonstruktion wirkt oft kräftig mit. Der ergibt sich fast immer entweder aus Setzungen der Sparren und Aufschieblinge oder auch durch Absacken des Kerngerüstes. In der Regel wurden solche Aspekte beim Bau der Gebäude nicht hinreichend beachtet. Hier sollte man zur Vermeidung erneuter Schäden mal nachsehen und ggf. einige statische Ergänzungen (Zuganker, gleitende Lagerung des Dachfußes auf der Mauerkrone etc.) vornehmen.
Hier gilt es ganz klar die Dachkonstruktion genau zu definieren, d. h. handelt es sich um ein Sparrendach oder ein sog. Pfettendach (Roofendach). Bei Sparrendächern kann es durch "Setzungen" der Sparren nicht (!) zu einem Ausweichen der Traufwände kommen, da die Sparren zusammen mit dem Deckenbalken ein statisches System bilden und dieses untrennbar miteinander Verbunden ist. Versagt eines dieser Teile, kann das den Zusammenbruch der Dachkonstruktion zur Folge haben. In schöner Regelmäßigkeit funktionieren solche Dächer nur noch, weil zur Bildung des Längsverbandes eine Rähmkonstruktion unter den Kehlbalken eingebaut wurde, über die die Lasten dann stellvertretend abgeleitet werden.
Sollten Aufschieblinge der Grund für ein Ausweichen der Seitenwände sein, dürfte das auch wieder auf ein Problem an einer anderen Stelle zurückzuführen sein, da Ausschieblinge an ihren Stirnflächen keine Last übertragen sollen, oder im direkten Verbund mit dem Sparren ihre Last auf den Balkenkopf "ableiten".
Bei Pfettendächern ist die Ausbildung von Aufschieblingen nur bei einer entsprechenden Einrückung der Fußpfette nötig. In einem solchem Fall wird aber keine Last über die Aufschieblingsstirn übertragen, da diese zimmermannsmäßig zurück geschnitten sein muss. Liegt dieser Rückschnitt nicht mehr vor, kann es z.B. durch marodierende Fußpfetten od. äh. zu Störungen gekommen sein.
FG
Ralf
Re: Mörtel für Segmentbogen
Verfasst: Di 8. Aug 2006, 12:57
von Reini
Hallo Ralph,
wenn das Foto, das du beigefügt hast den Ist - Zustand darstellt, dann ist doch augenscheinlich schon einmal jemand am Fundament dran gewesen. Es ist gar kein Verband mehr vorhanden. Das Mauerwerk besitzt einen Kreuzverband und das Fundament scheint lediglich aufgestapelt. Das kann nicht halten.
Gruß, Reini
Re: Mörtel für Segmentbogen
Verfasst: Di 8. Aug 2006, 16:56
von salinodg
@Dietrich
bei sehr vielen Sakralbauten wurde bei Restaurierungsarbeiten die frühere Verwendung von Trasskalk nachgewiesen. Das würde eine höhere Druckfestigkeit des Mörtels erklären. Ich bin nach wie vor skeptisch, ob ein reiner Luftkalkmörtel wirklich derartige Drücke aushält.
Gruß
Bernd
Re: Mörtel für Segmentbogen
Verfasst: Di 8. Aug 2006, 18:29
von Tapsen
salinodg hat geschrieben:
@Dietrich
bei sehr vielen Sakralbauten wurde bei Restaurierungsarbeiten die frühere Verwendung von Trasskalk nachgewiesen. Das würde eine höhere Druckfestigkeit des Mörtels erklären. Ich bin nach wie vor skeptisch, ob ein reiner Luftkalkmörtel wirklich derartige Drücke aushält.
Gruß
Bernd
Der Trass muß dann aber lokal verfügbar gewesen sein,
desweiteren ist der betrachtete Zeitraum sehr groß,
als auch die Konstruktionen unterschiedlich.
(Die schlechten sind bereits eingestürzt/abgetragen).
Hydraulischer Kalk kann auch (bei entsprechenden Brandtemperaturen) aus
mergeligen Kalken entstehen und ist wohl auch verwendet worden.
Meiner Einschätzung nach benötigen Werksteinbauten keinen Mörtel für die Statik,
allenfalls als zur Erzeugung von Paßgenauigkeiten.
Bei Bruchsteinmauerwerk sieht das anders aus,
wenn da mit plattigen Material quasi eine ausgefugte Trockemmauer
auf Knirsch gesetzt wird, inclusive Durchbinder, dann ist der Mörtel 'Dichtung'.
Da reicht auch Kalkmörtel, da nicht unter Schubbelastung.
Leider hat man oft Schalenmauerwerk, beidseitig mäßig lagergerecht versetzt,
und in der Mauermitte viel Mörtel mit dem kleinformatigem 'Abfall'.
Solche Konstruktionen ermüden leider schnell,
oft schon während des Bauens, war ja egal ob lotgerecht.
Durch Auswaschung/Versanden des Mörtels geht dessen Zwickelfunktion verloren,
das Mauerwerk kommt bei ungünstiger Belastung in 'Bewegung'.
Hier finde ich härtere und beständigere Mörtel unbedingt angebracht.
Viele Grüße,
Philipp Kawalek
Re: Mörtel für Segmentbogen
Verfasst: Di 8. Aug 2006, 21:21
von Ralph Fischer
Nabend!
@Dietrich
Unter der Erde hat Kalkmörtel allerdings nichts zu suchen, also entweder Trasskalk oder Zement nehmen
Ich hatte heute ein sehr angenehmes Gespräch mit einem freundlichen Menschen bei Solubel, der mir für den Zweck ein Produkt namens SP50 (1-2 mm) empfahl. Entwickelt wurde es für die Kaimauer in Bremerhaven, also gleich hier um die Ecke. Angeblich absolut salzwasser- und frostfest. Das Datenblatt sehe ich mir heute Abend mal an.
Im Moment neige ich dazu, den freigelegten Sockelteil zu verfugen, die oberirdischen Arbeiten zu machen und erst mal wieder zuzukippen. Sonst haben wir eine weitere Großbaustelle, die vor dem Winter nicht fertig wird. Also verschieben.
Diese Mauerecke ist zudem recht stabil. Die ziemlich gepfuschten Nachverfugungen sind mindestens 15 Jahre alt und max. 1 mm aufgerissen. In den beiden gegenüberliegenden Ecken ist deutlich mehr "Musike" drin.
Da kommt nächste Woche ein örtlicher Maurermeister, um dort mal bis unten aufzubuddeln und nachzusehen.
Dass Regenwasser das Holz konserviert, ist ein frommer Aberglaube!
Besten Dank für die Aufklärung! Da haben wir wohl die Ansage einer Architektin ("Die Phalköpfe müssen immer reichlich Wasser haben, sonst rotten sie weg") verallgemeinert zu "Viel Wasser = viel gut" :-)
Auch wenn die Chemie-Vorlesungen nie meine Lieblingsveranstaltungen waren, fand ich Deine Erklärung absolut einleuchtend und nachvollziehbar.
Die "Münchhausen-Statik" müsste man mal in einer Zeichung sehen, das kann man sich nach der Beschreibung kaum vorstellen
Dazu versuche ich mal eine Zeichnung zu machen.
Also ist wohl mal Beratung durch Fachmann vor Ort angesagt, wie man sieht.
Tja, bloß woher nehmen?
Anekdote zu dem oben erwähnten Maurer: den haben wir ausgewählt, weil wir eine Arbeit von ihm im nächsten Dorf ausgiebig bewundert haben. Eine komplett neue Giebelwand einer Gulfscheune mit allem Schnickschnack.
Auf meine Frage. "Wieviel Manntage stecken eigentlich in so einem Schmuckstück?" strahlte er mich an und meinte: 3 (!!).
Auf mein erstauntes Nachfragen, wie das denn so schnell ginge: "Sie glauben gar nicht, wie fix das mit Ytong geht..."
Na fein, da hatten wir eine Ytong-Wand mit aufgepappten Blendern bewundert...
@Ralf
1. Die notwendigen Maueranker sind nicht oder nicht mehr vorhanden.
Sie sind es, zumindest an den Seitenwänden.
Die Anker des Wirtschaftsgiebels hängen in der Luft, weil der ehemalige Pferdestall (sitzt U-förmig am Giebel) um etwa einen Meter erniedrigt wurde. Das ist ein Projekt für nächstes Frühjahr: Wände des Pferdestalls (und damit die Balkenlage oben drauf) wieder auf die alte Höhe bringen, um den Giebel wieder ordentlich zu verankern.
2. Setzungen der Traufwände führen zu einer Verschiebung des statischen Systems in der Dachkonstruktion.
Nu ja, "eigentlich" tragen die Traufwände bei einem Gulfhof genau nichts. Das gesamte Dach hängt auf dem Hochrahmen, die Wände halten nur das Wetter draußen. Aber nach den ganzen, garantiert passierten Umlastungen kann das wohl keiner so genau sagen...
3. Schädigungen in den Schwellenbereichen der Dachkonstruktion führen zu Setzungen der selbigen.
Da ist zumindest nichts erkennbar.
Hier gilt es ganz klar die Dachkonstruktion genau zu definieren
Wenn ich das richtig sehe, ist das ein Pfettendach. Zwischen Fuß- und Firstpfette liegen 3 weitere Pfetten. Die mittleren davon werden durch die Längsträger der Hochrahmen gebildet.
@Reini
Das Mauerwerk besitzt einen Kreuzverband und das Fundament scheint lediglich aufgestapelt.
Ne, ne, das Fundament ist schon im Kreuzverband gemauert, allerdings in teilweise recht freier Improvisation (im Bild kommt das schlecht rüber). Da geht z.B. eine Lage Binder nahtlos von DF (wie der Rest des Fundamentes) ins Oldenburger Format über.
Solche Sachen gibts weiter oben in der Wand auch: da taucht plötzlich und unvermittelt in einer Lage Läufer ein Binder auf.
Insgesamt denke ich, ist da in früheren Zeiten schon ziemlich viel gebastelt worden.
Grüße aus der Wesermarsch
Ralph
Re: Mörtel für Segmentbogen
Verfasst: Mi 9. Aug 2006, 04:09
von salinodg
@Ralph
Solubel PS50 ist ein (fast normaler) Trasskalk mit Ziegelmehl als Hydraulefaktor. Im Prinzip ließe sich das auch als Baustellenmischung in kleineren Mengen herstellen.
Re: Mörtel für Segmentbogen
Verfasst: Mi 9. Aug 2006, 09:01
von Reini
Hallo Ralph,
entschuldige aber dein Foto zeigt doch im Fundamentbereich mindestens 6 Schichten ohne Verband. Es wurden zwar in jeder Schicht Köpfe und Läufer abgewechselt aber ein Verband ist doch wirklich nicht vorhanden.
Das Steinformat ist grundsätzlich für einen Kreuzverband bei setzungsempfindlichen Gebäuden sehr schlecht geeignet. Der Versatz von Stoßfuge zu Stoßfuge ist aufgrund des Oldenburger Formates sehr kurz. Dieses Problem finden wir im gesamten Norddeutechen Raum immer wieder vor.
Gruß, Reinhard, der sein Haus auch mit dem Oldenburger Format gebaut hat.
Re: Mörtel für Segmentbogen
Verfasst: Mi 9. Aug 2006, 20:09
von Dietrich Maschmeyer
Reini hat Recht, das Fundament scheint ziemlicher Murks zu sein, weil die offenen Fugen ohne Verband dazu führen, dass das fundament keine druckverteilende Funktion mehr hat.Das wäre allerdings auch besser gegangen, wenn man gewollt hätte, und man muss sich fragen, ob die sich mit dem fundament aus qaudratischen Steinstapeln, so könnte man es ja nennen, was gedacht haben. Ich hege diesen Verdacht.
Ich habe mich schon immer gewun dert, warum man Kreuzverband mit Steinformaten mauert, die sich dafür wenig eignen. Das hat allerdings offenbar Tradition. Nebenbei gibt es einen Verband, der immer passt, man nennt ihn je nach Bearbeiter flämischen, Hanse- oder gotischen Verband (Der Trick: selbe Zahl Binder und Läufer in jeder Schicht).
In der Tropfzone des Daches waschen die Fugen immer sehr schnell aus. Da hilft nur ein hydraulischer Mörtel. In Westfalen ist dieser untere Streifen oft aus Sandstein, später mit Zement verputzt, was sich im Grunde bewährt hat (wenn man mal von den bei älteren Gebäude oft fehlenden Horizontalsperren und der dadurch bisweilen auftretenden Versalzung der Wand bis über den Sockel absieht).