Lehmfüllung oberhalb Bohlenbalkendecke entfernen?

[ulanehm]

Hallo,
wir sind zur Zeit dabei, ein Gebäude aus der Zeit 1439 teilweise zu sanieren. Wegen eines alten Wasserschadens muss in einem Teilbereich der Boden geöffnet werden, um die tragenden Balken von oben zu kontrollieren und ggf eine Reparatur durchzuführen. Nach Abnahme des Zementestrichs (1960) und des Heiß-Estrichs (1960) und den darunterliegenden, stark abgelaufenen Fliesen (18Jhdt) und Entfernen der losen Schüttung aus Kalk/Bauschutt/Ziegel/Sand ist zwischen den Balken ist ein sehr festes Lehm-Stroh-Gemisch eingefüllt, unter dem nach Sondage alle Hölzer großflächig, aber nur oberflächlich (ca 0,5cm Pulver, dann 3-4cm festes Holz) durch Braunfäule zerstört sind. Es gibt einige lokal begrenzte Stellen, an denen die Balken statisch saniert werden müssen. Geplant ist, den Bodenhöhenausgleich dann neu mit Hilfe zementgebundenen Liapors zu machen, anschließend mit Spanplatten 2-lagig einen festen Unterbau für den Badboden (Linoleum) zu schaffen und im Eingangsbereich auf das Liapor mit Kalkestrich Solnhofener Platten (vorhanden) neu zu verlegen.
Wie oben schon angedeutet geht es nun um die Frage, welche Nachteile / Vorteile es hat, die bauzeitliche Lehmfüllung aus der Bohlenbalkendecke komplett zu entfernen. Die Decke kann unterseitig nicht verändert werden. Unterhalb liegt ebenfalls eine Wohnung.
Für Tipps und Einschätzung der Situation wäre ich dankbar.
Grüße
Ulrich

[Stefan Haar]

1439 ist 'n Wort - da zieht man schon mal die Augenbraue hoch

Gleichzeitig würde es mich dazu anspornen, besonders sorgsam mit der noch vorhandenen Altsubstanz umzugehen und möglichst wenig zu verändern.

Grundsätzlich: Zementgebundene Baustoffe haben im direkten Kontakt zu Holzbaustoffen nichts zu suchen.

Die Lehmschüttung dürfte letztlich der beste Schallschutz sein, den ihr in die Deckenebene einfüllen könnt. Er ist schwer und trotzdem nicht spröde, d.h. er ist als flexibler Baustoff in der Lage den (Luft-)Schall mehr oder weniger "aufzufressen". Nebenbei hat er dann auch noch eine niedrigere Gleichgewichtsfeuchte als das Holz selbst (konservierende Wirkung).

Gruß in den Süden

Stefan

[ulanehm]

Hallo Stefan,
ja das Alter hats schon in sich.
Deine Bemerkung mit "Zement hat hier nichts zu suchen" ist prinzipiell genau meine Meinung. Allerdings müsen wir irgendwie eine a) leichte und b) recht biegesteife Platte einbringen, die dann auch noch Höhenunterschiede bis 18cm auf 3m Distanz ausgleicht. Wir haben bisher mit diesem zementgebundenen Liapor bei der Gewölbeauffüllung und auch als Unterboden gute Erfahrungen gemacht, gerade weils recht stabil ist und sich aber leicht und ohne große Erschütterungen wieder ausbauen / öffnen lässt. Bei Wasserschäden läuft das Wasser durch und nichts bleibt im Liapor hängen, keine Staunässe ist möglich.
Alternativ könnte ich kalkgebundes Liapor verwenden. Da weiß ich dann aber nicht, ob das druckfest genug für eine Lastverteilung ist. Eine lose Schüttung drückt mir zu stark lokale Lastspitzen auf die Bohlenbalkendecke. Der originale Aufbau war übrigends auf dem Lehm aufliegend ein 5cm dicker Kalk-Ziegel-Estrich, der hier noch in Resten vorhanden ist, in einem anderen Rauum noch vollflächig im bauzeitlichen Zustand.
Hast du noch andere Ideen für diesen Aufbau?
Gruß und Danke
Ulrich

[Stefan Haar]

Hanfleichtlehm als Höhenausgleich mit Kalkestrich als Lastverteilungsebene käme dem Original recht nahe ...

Gruß

Stefan

[Dietrich Maschmeyer]

Der leichte Braunfäulebefall der Stubendeckenoberseite deutet auf zeitweilig relativ hohe Feuchtigkeit hin. Irgendwie muss das Zeug ja auch noch mal die Chance haben, auszutrocknen, Der Lehm kann zwar drainieren, muss aber seinerseits irgendwo mal flächig belüftet werden. wenn ich das richtig sehe, ist die Decke insgesamt leicht 50-60 cm dick. Da wird es kritisch mit dem einbringen von zusätzlicher Baufeuchte. Ich würde daher die alte Lehmpackung sitzenlassen, aber darüber, dort, wo mit Schutt aufgefüllt war, für eine gewisse Belüftung sorgen, gerade, wenn auch noch ein Badezimmer da hinkommt. Ein Boden aus Spanplatten (ich würde allerdings wasserfest verleimtes Sperrholz zweilagig nehmen, ist dünner und fester) braucht kein flächiges Auflager. Bei den bis zu 18 cm Ausgleich kann man an einigen Stellen gut zusätzliche Lagerhölzer reinpacken. Das Ausrichten geht mit Niveauschrauben deutlich schneller. Dann werden die Lager unterkeilt und darauf der Boden als feste Scheibe verlegt. Be- und Entlüftung des Deckenzwischenraumes nicht vom Bad aus, sonder von anderen Räumern her (hinter der Fussleiste oder ähnlich, wie man das früher gemacht hat.)

Bilder von der Situation wären nützlich!

[ulanehm]

Hallo Herr Maschmeyer,

die Feuchte stammt aus dem zweiten Weltkrieg, als das Dach ca 1,5 Jahre ohne Dachdeckung war. Das ist dann irgendwann wieder trocken geworden. Bilder kann ich nicht einstellen, da ich nicht weiß, wie das funktioniert. Wenn Sie mir per PN Ihre e-mailadresse schicken, kann ich Ihnen Bilder zuschicken, die Sie gerne hier einstellen können. Die Bilder haben JPG-Format, die ich hier nicht laden kann.
Danke für den Hinweis mit der Sperrholzplatten, das werde ich berücksichtigen.
Gruß
Ulrich

[Stefan Haar]

Der Höhenausgleich über verkeilte Ausgleichshölzer und Niveauschrauben birgt immer die Gefahr der direkten Trittschall-Durchleitung durch die Decke in sich. Insbesondere bei Geschoßwohnungen - wie in diesem Fall - würde ich diesen Lösungsansatz deshalb nicht verfolgen. Der "Untermieter" wird's danken. Für andere Fälle wäre der Ansatz sicher praktikabel.

Gruß

Stefan

[forenadmin]

Hallo zusammen,

hier die entsprechenden Aufnahmen zum Thema:









Herzliche Grüße
Thomas

[Thoralf Nothnagel | KS Suhl]

Hallo Ulrich,

ich denke, Du kommst nicht daran vorbei, Dir einen Fachmann ins Haus zu holen. Allein vom Sehen der Bilder kann man keine verbindliche Auskunft geben. Am besten, Du erkundist Dich mal, wo in Deiner Nähe eine Kontaktstelle der IGB ist.

Gruß Thoralf

[ulanehm]

Hallo Thoralf,
Fachleute der Unteren Denkmalschutzbehörde? Sind technisch definitiv nicht auf dem Stand, mit der Situation umzugehen. Fachleute des Landesdenkmalamtes? Da gibts einige, die uns kompetent helfen in verschiedenen Aufgabengebieten, die neigen aber dazu, Standardlösungen zu verwenden, um sich rechtlich abzusichern oder die reine Lehre zu vertreten. Die Kenntnis des einzelnen Gebäudes und seiner Eigenarten ist wegen der Fülle der Aufgaben nicht so vertieft, wie es manchmal notwendig wäre. Und manchmal muss man eben auch bewust Kompromisse eingehen, um die sinnvolle Nutzung zu ermöglichen. Selbst beauftragte Fachleute? Habe ich verfügbar, nach 10 Jahren Sanierungserfahrung als Bauherr weiß ich aber inzwischen, daß eigene Kenntnisse zwingend notwendig sind, um akzeptiert zu sein und bei den entscheidenden Details tatsächlich auch gefragt zu werden. Um Vor- und Nachteile der verschiedenen Lösungsmöglichkeiten diskutieren und entscheiden zu können, welcher Weg den eigenen Vorstellungen am besten gerecht werden, muss ich neben diesen Fachleuten auch andere Meinungen hören und mit einbeziehen. Deshalb ist es mir wichtig, auch hier diese für mich kritischen Punkte diskutieren zu können und eure Meinung zu hören. Bisher habe ich hier immer auch neue Aspekte kennengelernt, die mich in der Entscheidung sicherer gemacht haben. Deshalb auch hier ein großes Danke für eure kompetente Hilfe.
Wie wir den Bodenaufbau tatsächlich machen, werde ich euch nach der Entscheidung mit dem Statiker (hier mal echte Kompetenz gemischt mit viel praktischer Erfahrung, aber nicht beratungs- und wunschresistent) berichten.
Gruß
Ulrich