Twasshuus ...

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forenadmin
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Twasshuus ...

Beitrag von forenadmin »

Guten Abend,

Wenn man in westmünsterländischer Mundart von einem Twasshuus spricht, ist ein sog. "Querhaus" gemeint.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein altes Heringsfänger-Haus, mit traufseitig angebautem Stalltrakt.
Die Diele wurde aus dem Haupthaus "ausgelagert". Sie liegt nunmehr dazwischen, firstparallel zum Haupthaus.

Bezieht sich die Bezeichnung Twasshuus auf den Verlauf oder die Auslagerung der Diele oder auf den Stallanbau?

Fragend grüßt
Thomas
Gruß
Thomas Schomburg
Dietrich Maschmeyer
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Re: Twasshuus ...

Beitrag von Dietrich Maschmeyer »

Die Beschreibung des Heringsfänger-Hauses verstehe ich nicht. Wie wurde die Diele "ausgelagert"? Haben Fischerhäuser überhaupt grössere Dielen? Steht das Haus an der Küste, im Westmünsterland (wegen der genannten Mundart) oder an der Mittelweser (Schaumburger Heringsfänger)? Besteht es aus mehreren traufseitig aneindergebauten Satteldachbauten mit Flachkehlen-Gossen dazwischen, der mittlere Bau dann die "Diele"? Eine ausführlicher Beschreibung wäre hilfreich.
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forenadmin
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Re: Twasshuus ...

Beitrag von forenadmin »

Hallo Herr Maschmeyer,

das Haus gehörte einst Heringsfängern, die in Petershagen an der Weser lebten.

Den Begriff der "ausgelagerten Diele" hat der Volks- und Heimatkundler Willi Seele
aus Petershagen-Ilse gebraucht.

Das in Zweitverwendung genutzte Gerüst ist etwa von 1850. Das Haus selbst wurde
ca. 1890 errichtet. Die Größe der Diele beträgt etwa 12.00 x 4.00 Meter.   
thobi hat geschrieben: Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein altes Heringsfänger-Haus, mit traufseitig angebautem Stalltrakt.
Die Diele wurde aus dem Haupthaus "ausgelagert". Sie liegt nunmehr dazwischen, firstparallel zum Haupthaus.
... sie liegt nunmehr zwischen dem Wohnhaus und dem traufseitig daran angebauten Stallbereich
und verläuft aber firstparallel zum Wohnhaus.



Heringsfängergrüße
Thomas               
Gruß
Thomas Schomburg
Wolfgang Riesner
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Re: Twasshuus ...

Beitrag von Wolfgang Riesner »

Hallo zusammen,
in vorliegenden Fall handelt es sich um eine kleinbäuerliche Stätte mit ca 20Morgen Land. Wann sie errichtet wurde, ist noch nicht klar, sicherlich aber erst nach der Verkoppelung. Die Verhältnisse müssen immer recht ärmlich gewesen sein. Vermutlich bestand ursprünglich ein kleines fachwerkenes Wohnhaus mit Mittellängsdiele (im Kern noch vorhanden), daß um die Jahrhundertwende an beiden Enden mit Ziegelmauerwerk um ein zweiräumiges Kammerfach und vorne um 2 Gebinde verlängert wurde. Evtl gleichzeitig oder wenig später wurde quer daran ein Stallanbau angefügt der als verbindendes Element an der Traufseite des Ursprungsgebäudes eine Querdiele aufweist. In den 1930er Jahren ist die Mittellängsdiele zugunsten der seitlichen Zimmer zu einem breiten Flur geschrumpft. Das Dach des Wirtschaftteiles muß später mal durch einen Drempel erhöht worden sein und schließlich ist der Stalltrakt noch erweitert und um einen Scheunenteil ergänzt worden. Bis in die 50er oder 1960er Jahre hat der Hof noch versucht mit den Entwicklungen in der Landwirtschaft mitzuhalten, bevor er dann doch rapide den Anschluß verloren hat und von seinem alleinstehenden Besitzer nach damaligem Standard einfach weiter bewirtschaftet und bewohnt wurde. Nach allem was man sieht, ist die Zeit in den 1950er Jahren stehen geblieben und es wird immer sehr bescheiden zugegangen sein. Das Haus war bis März diesen Jahres bewohnt, bis der Besitzer starb. Bis zu letzt gab es weder Bad noch WC oder Zentralheizung.

Die materiellen Verhältnisse zwangen die Bewohner auch auf Heringsfang zu fahren. Das machte nur, wer alleine von der Landwirtschaft nicht existieren konnte und der Verdienst wurde in die Landwirtschaft investiert, etwa um sich noch Land dazuzukaufen. Die Heringsfänger von der Mittelweser wurden im Krieg meist zur Marine eingezogen, so auch der spätere Bauer. Wer irgend konnte, fuhr nicht länger als nötig zur See. Ausnahmen sind vieleicht die Kapitäne und Steuerleute, die es hier auch reichlich gab, denn sie konnten bei guten Fangreisen doch sehr gut verdienen, das richtete sich einerseits nach dem Fangerfolg und andererseits nach der Hirarchie an Bord.

Damit erst mal genug von Twashäusern und Heringsbendigern. Das Haus und seine Bewohner sind jedenfalls fur die unter- und Kleinbäuerliche Schicht in den Weserdörfern recht typisch. Interessant ist auch, daß umfangreiche Tage- oder Wirtschaftbuchartige Aufzeichnungen aus den 50er Jahren bestehen, die einer Auswertung harren.

Gruß aus Neuenknick von
Wolfgang Riesner
Dietrich Maschmeyer
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Re: Twasshuus ...

Beitrag von Dietrich Maschmeyer »

So, jetzt habe ich es verstanden. Diese späten, quer an den Wirtschaftsteil angefügten Anbauten gibt es überall im Hallenhausgebiet. In der Regel vebot sich eine Verlängerung der Diele, weil vorne kein Platz mehr war oder sie (zumindest bei grösseren Häusern) auch zu lang geworden wäre. In ihnen finden wir in der Tat regelmässig eine Querein- oder Durchfahrt, da in Niederdeutschland  - im Gegensatz zu anderen Regionen die dort in der Regel untergebrachten (ggf. zusätzlichen) Rinderställe noch sehr spät fast immer mit einer befahrbaren (Futter-)diele gebaut wurden (was auch heute nicht von Nachteil ist - ,an denke an die nur durch schmale Türen zugänglichen Ställe in anderen Regionen, wie z.B. im Altenburger Land, über das wir im nächsten HN berichten werden: Das Füttern muss dort recht mühsam gewesen sein. Eine andere Art stellt der seitlich angebrachte "Pottstall" dar, im Grunde ein überdachter Mistplatz mit Duchfahrt, der gleichzeitig als Stellplatz für ds Jungvieh diente. Dieser Typ feiert seine hohe Zeit zwischen ca. 1870 und 1920. Ein diritter Typ von Queranbauten sind die Göpelhäuser. Über diesen Typ werde ich in einem der nächsten HN berichten. Sie kamen auf mit dem Aufkommen mechanischer Dreschmaschinen und verloren ihren Sinn spätestens schon wieder mit Aufkommen des Bulldog oder des Elektromotors. Die bestehenden Bauten sind heute praktisch ausnahmslos im Inneren aufgeteilt und anders genutzt

Die Bezeichnung "Dwasshuus" wäre für so einen Stall-Querflügel durchaus angemessen. Wenn man solche mundartlichen Begriffe verwendet, die ja vorgeben, eine regionale Bezeichnung zu sein, sollten sie aber auch in der Region tatsächlich dafür benutzt worden sein. Sonst verwende man besser einen neutralen, hochsprachlichen Ausdruck dafür.

Wichtig auch in diesem Falle, nicht alles miteinander zu vermischen: Die Beziehung zwischen dem Anbau und dem Nebengewerbe der saisonalen Heringsfischerei ist höchst indirekt oder sogar gar nicht erkennbar (schliesslich wurde sie in dem Hause selbst ja gar nicht betrieben), und wir befinden uns auch nicht im Westmünsterland, dürfen also auch nicht dortige Ausdrücke für Bauten an der Mittelweser verwenden.
Wolfgang Riesner
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Re: Twasshuus ...

Beitrag von Wolfgang Riesner »

Hallo Dietrich,
der Begriff "Twashues", ich schreibe das mal bewußt anders, ist hier gebräuchlich (gewesen) und bezeichnet bei uns Haustypen mit Querdielen oder auch Hauskombinationen, bei denen eine quer zum First verlaufende Diele prägendes Element ist. So ein Gebäude hat Thomas gemeint. Die Verbindung zu den Heringsfängern ist dabei zwar nicht zwingend, aber auch keineswegs zufällig, denn die genannte Gebäudeform wird vor Allem von den kleinen Leuten bevorzugt. Sie werden in den Unterlagen zwar als Colon, also Bauer, geführt, haben sich jedoch oft mit Mühe und Arbeit erst in diesen "höheren Stand" hineingearbeitet oder geheiratet (mit Hilfe der Mitgift) und sind darauf auch sichtlich stolz. Dennoch reicht der Ertrag der kleinen Landwirtschaft bei vielen weder zum Leben noch zum Sterben, so daß sie auf saisonalen Nebenerwerb angewiesen sind. Das gilt auch für viele nicht erbberechtigte (nachgeborene) Söhne etwas größerer Höfe, wenn sie nicht das Glück hatten, die Stätte eines kinderlosen Verwandten (natürlich gegen die Gewährung des Altenteils) zu übernehmen oder sich die Möglichkeit einer Einheirat bot. Über beide Phänomäne gebe es noch manches zu berichten, das würde an dieser Stelle aber zu weit führen.
Gruß aus Neuenknick
von Wolfgang Riesner
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Re: Twasshuus ...

Beitrag von forenadmin »

Wolfgang Riesner hat geschrieben:... der Begriff "Twashues", ich schreibe das mal bewußt anders, ist hier gebräuchlich (gewesen) und
bezeichnet bei uns Haustypen mit Querdielen oder auch Hauskombinationen, bei denen eine quer
zum First verlaufende Diele prägendes Element ist. So ein Gebäude hat Thomas gemeint
Liebe Diskutanten ... (ist das eigentlich masculinum | plural?) ;)

ich habe mal über "Tante Goo..." in einigen plattdeutschen Wörterbüchern + Foren gesucht.

Ergebnis: Twass, Dwass oder Dwars = Ouer  |  Huus, Hues oder Hus = Haus

Nun war ich, lieber Wolfgang, nach Dietrichs Beitrag der Meinung, das "Querhaus" sei ein solches,
weil es einen quer - zum First des Wohnhauses  - angebauten (verlaufenden) Stallanbau hat.
Grundlage der Betrachtungsweise wäre in diesem Fall also wohl das Wohnhaus.
Wolfgang Riesner hat geschrieben:... der Begriff "Twashues" ... ist hier gebräuchlich (gewesen) und bezeichnet bei uns Haustypen mit Querdielen...
Ein solches Haus (Denkmal) kenne ich recht gut. Es wird gerade saniert. "Wohnbereich", Diele und Stall,
alles unter einem (Dach-)First. Dieleneinfahrt von der Abseite/Traufseite ... = Querdiele ... = Querhaus.
Ausgangspnkt der Betrachtung wäre auch hier das Wohnhaus bzw. der Firstverlauf desselbigen.
Wolfgang Riesner hat geschrieben:... oder auch Hauskombinationen, bei denen eine quer zum First verlaufende Diele prägendes Element ist.
Womit wir schon bei einer weiteren Kombination wären. Wenn mit der letzten Variante das "Querhaus"
in Heimsen gemeint ist - Du fügst ja noch an ... so ein Gebäude hat Thomas gemeint ..., dann wäre/ist
dies doch der Fall, weil die Diele "quer" zum Stallanbau bzw. quer zum First des Stallanbaues verläuft.

Was bestimmt denn nun aber dieses "Quer"? Wird hierfür der Firstverlauf des "Wohnhauses" dazu herangezogen,
der des Stallanbaus, bin ich schwer von Kappee, denke ich zu quer oder sind es regionale Betrachtungsweisen?


"Gerade" - Grüße  :)
von Thomas
Gruß
Thomas Schomburg
Wolfgang Riesner
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Re: Twasshuus ...

Beitrag von Wolfgang Riesner »

Hallo Thomas,
der seitliche Anbau eines Stalltraktes an der Traufseite eines Wohnwirtschaftsgebäudes ist für das ausgehende 19. Jahrhundert nicht nur in unserer Region ein regelmäßiges Phänomen. Die Ausweitung der Viehhaltung machte zusätzliche Stallfläche erforderlich und mit der L-Form konnte man den räumlichen Zusammenhang mit den bestehenden Ställen und Wirtschaftsräumen gut wahren. Das macht dann allerdings noch kein Twashues aus dem Bau.
Das "Twas" bezieht sich auf die Lage der Diele, die eben nicht als Längsdiele sondern quer zum First des sie überdeckenden Daches verläuft. In deinem Fall ist das das Stalldach und nicht das Dach des "Haupthäuschens", wenn du mir die Verkleinerungsform gestattest, aber es ist ja auch nur ein bescheidenes Haus.
Gruß aus Nk von Wolfgang
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Re: Twasshuus ...

Beitrag von forenadmin »

Lieber Wolfgang,

ob nun Twass- Dwass- oder Dwarshuus, ob Querhaus oder "Haupthäuschen",
ob Hütte oder wie Du es letzt nanntest ... "zartes Böcklein", es bleibt doch

imma detselbe oole Jemäua ... wie man in unserer "Hauptstadt" sagen würde!  ;D

Gruß Thomas
Gruß
Thomas Schomburg
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