Liegender Stuhl

Konstruktionen, Befunde, alte Farbanstriche usw.
georg lehmann
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Liegender Stuhl

Beitrag von georg lehmann »

Schönen Abend zusammen.
Eine Frage zu liegenden Dachstühlen. Ich bin gerade auf einem Kirchendach tätitg im Schwarzwald. Über dem Hauptschiff hat der Dachstuhl eine Stuhlschwelle (Dreikantschwelle ) in die die Bundstreben eingezapft sind. Die Mittelpfetten sind rechteckig und stehen senkrecht. Der Dachstuhl über dem Chor hat ebenfalls eine Stuhlschwelle, aber die Mittelpfetten sind nicht rechteckig und senkrecht, sondern genau so verkantet wie die Schwellen. Das Chorgebälk stammt allem Anschein nach von woanders her und wurde hier wieder aufgebaut und ans Hauptschiff angepasst.
Kann mir jemand sagen, welche der beiden Konstruktionen die ältere ist, oder gar eine grobe Datierung versuchen, was wann modern war?

Schöne Grüße, Georg Lehmann
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Ralf Femmer | KS Freiberg
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Re: Liegender Stuhl

Beitrag von Ralf Femmer | KS Freiberg »

Hallo Herr Lehmann,
so weit ich weiß, existiert der liegende Stuhl als Konstruktionsprinzip ca. seit dem späten 14 Jahrhundert.
Eines der Probleme bei der Konstruktion dieser Dächer, war das Problem, das bei einer "stehenden Pfette" die Verzapfung nur über eine Aufwendige Konstruktion hergestellt werden konnte,. Um diesem Problem aus dem Weg zu gehen, bekamen die "Pfetten" (richtige Bezeichnung wäre Rähm, da Sparrendächer nicht über Pfetten verfügen >> anderes Konstruktionsprinzip) eine Form, die ein winkelrechtes Einarbeiten der Stuhlsäulen in die Rähme ermöglichte.
Welcher, der beiden "Dachstühle" älter ist, lässt sich aber meiner Auffassung nur durch eine dendrochronologische Untersuchung abklären.
Wenn auch, zumindest aus Sicht der Entwicklung des Dachtragwerkes, die stehende "Pfette" als Ausgangssituation angesehen werden kann, ist das noch lange kein Indiz dafür, das dies die ältere Konstruktion ist. Auch die Bearbeitung der Hölzer (bebeilt und wenn ja, wie, geschnitten und wenn ja wie) eine Rolle, sowie natürlich auch die Art der Konstruktion und die gewählten Holzverbindungen.
In sofern wären natürlich auch ein paar Bilder oder Zeichnungen nicht schlecht.
FG
Ralf Femmer
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georg lehmann
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Re: Liegender Stuhl

Beitrag von georg lehmann »

Hallo Herr Femmer
Herzlichen Dank für Ihre Antwort. Es geht mir weniger um das genaue Alter der Balken, sondern um die Entwicklung der Konstruktion, ihre Antwort ist mir also ausreichend, auch ohne aufwändige Untersuchung.
Dass die Mittelpfette eigentlich ein Rähm ist, finde ich interessant. Ich stolpere immer mal über Begriffe, die in der Fachliteratur oder in anderen Regionen etwas anderes bedeuten als im Schwarzwald. Das Rähm auf der Wand heist bei uns z. B. Stockpfette (von Stockwerk). Rähme gibt es bei uns warscheinlich erst, seit die Schulbücher bundeseinheitlich sind.

Schönen Abend noch, Georg Lehmann
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Ralf Femmer | KS Freiberg
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Re: Liegender Stuhl

Beitrag von Ralf Femmer | KS Freiberg »

Hallo Herr Lehmann,
georg lehmann hat geschrieben: Dass die Mittelpfette eigentlich ein Rähm ist, finde ich interessant. Ich stolpere immer mal über Begriffe, die in der Fachliteratur oder in anderen Regionen etwas anderes bedeuten als im Schwarzwald. Das Rähm auf der Wand heist bei uns z. B. Stockpfette (von Stockwerk). Rähme gibt es bei uns warscheinlich erst, seit die Schulbücher bundeseinheitlich sind.
Ein Grund für die Bezeichnung als Stockpfette könnte darin liegen, dass im Schwarzwald eher auf sogenannte Roofendächer zurückgegriffen wurde. Dort funktioniert der Lastabtrag dann so, wie bei den heutigen Pfettendächern. Die Roofen wurden am First zusammengebunden (oder ahänlich) und lagen auf einer Pfette auf.
Diese Art der Konstruktion ermöglichte flachere Dachneigungen. Und das dürfte in Ihrer Region wohl der Fall sein.
Was die Bezeichnungen vor allem auch in der Literatur betrifft, muss man zum einen Schauen, ob auch wirklich das gleiche gemeint ist und zum anderen, wer bei wem abgeschrieben hat. ;D
Auch die Benennung durch ausgebildete Handwerker ist nicht unbedingt ein Indiz für regional unterschiedliche Bezeichnungen. Nicht das es die nicht gibt. Da ich häufig im gesamten Bundesgebiet gearbeitet habe, ist mir so einiges untergekommen.
FG
Ralf Femmer
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