Gips- bzw Anhydritmörtel für historische Schnittfugen?

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Dietrich Maschmeyer
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Registriert: Mo 17. Feb 2003, 17:34

Gips- bzw Anhydritmörtel für historische Schnittfugen?

Beitrag von Dietrich Maschmeyer »

Ich möchte hier mal eine Frage stellen, die vielleicht auf den ersten Blick sehr ungewöhnlich klingt. Es geht um die Fuge im Ziegelmauerwerk - ein von der praktischen Denkmalpflege in der Regel ziemlich vernachlässigtes Detail, d.h. konkret: Bei Restaurierungen wird irgendetwas gemacht, ohne sich den historischen Bestand hinreichend genau angesehen zu haben.

Bei Häusern des 18. und 19. Jahrhunderts, die in "holländischer Art" mit schmalen Schnittfugen versehen sind, beobachte ich desöfteren extrem hartes, extrem weisses und extrem feinkörniges Fugenmaterial. Typischerweise wurden die Fugen nach dem Mauern ausgekratzt, dann die Wand mit dunklem Englischrot eingefärbt und dann in die Fugen das extrem weisse Material eingebracht. Das erkennt man daran, dass die Oberfläche des darunterliegend Mauermörtels rot gefärbt ist. Die Technik des Färbens ist übrigens alten Maurern durchaus noch geläufig; als Fugenmaterial kennen aber auch sie nur noch Zementmörtel (Weiss dann halt mit Weisszement).

Schaut man sich die Textur der alten Fugen genauer an, sieht es aus, als sei eine sehr plastische Masse mit Hilfe einer Art Spritgebäcktüte eingebracht worden. Das passt nicht zum eher unplastischen Zement (ganz abgesehen davon, dass es den vor etwa 1830 gar nicht gab), und einen dermassen fetten Kalkmörtel hätte man wegen er grossen Schwindung nicht mehr handhaben können.

Jetzt habe ich das Problem mit meinem Bauernhaus im südöstlichen Emsland: Auch dort ist in Ziegelmauerwerk von 1873 eine derartige Verfugung vorhanden gewesen, die ich nun mal reparieren müsste. Auffällig ist schon, dass sich in 130 Jahren die meisten dieser Fugen verabschiedet haben. Das spricht nicht unbedingt für einen guten Kalkmörtel, der sich sicher mit dem Mauermörtel gut verbunden hätte. Einige dieser nur noch rudimentären Mörtelproben werde ich demnächst mal analysieren.

Bei Nachdenken, wie man derartige Massen neu zusammenmischen könnte, kam mir eine Idee: Sollte es sich bei dieser Art von blendendweissen alten Fugen um Gips- bzw. Anhydritmörtel handeln? Die Recherche ergab, dass das zumindest möglich ist:
http://www.fh-oow.de/forschungsdatenban ... 025105.pdf. Den dort erarbeiteten Mörtel soll es danach mittlerweile sogar bei Tubag zu kaufen geben.

Vielleicht weiss jemand von den Kollegen mehr - vielleicht gibt es sogar praktische Erfahrungen? Ansonsten warte ich mal auf das Ergebnis meiner demnächst anstehenden Analysen.....