Erhöht angelegtes Grundstück

Konstruktionen, Befunde, alte Farbanstriche usw.
Peterm
Nicht angemeldeter User
Nicht angemeldeter User

Erhöht angelegtes Grundstück

Beitrag von Peterm »

Hallo zusammen,

ich möchte von einer Eigenart unseres Grundstücks berichten, in der Hoffnung Interessantes darüber zu erfahren. Eine (zugegebenermaßen oberflächliche) Suche im Internet und im IGB-Forum ergab wenig.

Das Grundstück (ca. 3300 m2) mit unserem Haus ist über nahezu die gesamte Fläche erhöht angelegt. Es liegt in Alleinlage am westlichen Gest-Rand des Teufelmoors, Lkr. Osterholz-Scharmbeck, Niedersachsen. Das Grundstück, fast rechteckig, findet sich im heutigen Zuschnitt in Katasterkarten von 1870 (auf Grundlage von Vorlagen aus 1866). Die alten Leute des Ortes sagen, ein Haus hätte dort schon immer gestanden. Das Alter des Hauses oder zumindest der älteren Teile des groben z.T. mehrfachverwendeten Ständerwerks ist für mich schwer einzuschätzen. Viel älter als 1866 sind die Ständer meiner Meinung nach nicht. Das Haus wurde immer wieder und oft nicht fachmännisch umgebaut (siehe Bild). Es ist ein sehr einfaches, kleines Haus ca. 10 x 16 Meter Grundfläche.

An drei der vier Grundstückseiten ist eine bis zu 1,2 m tiefe z.T. stark "verschliffene" Stufe, die schräg zu den angrenzenden niedrigeren Flächen abfällt (siehe 2. Bild, die roten Linien sollen die Höhenunterschiede verdeutlichen). Die vierte Seite ist auf einer Höhe mit der dort entsprechend höher liegenden Fläche und dem Gemeindewewg. Die tieferliegenden Wiesen und Äcker sind oft feucht. Bis zu Flurbereinigung Ende der 1960er Jahre verlief zudem ein Bach in etwa 20 Meter Entfernung unterhalb der erhöhten Grundstückskante. Möglich, dass viele der nahen Flächen regelmäßig überschwemmt wurden. Offensichtlich ging es darum, trockenen Boden für Haus, Vieh und Anpflanzungen zu erhalten, typisch für eine Wurt. Aber welch ein Aufwand für eine kleine, abgelegene und vermutlich eher arme Hofstelle Mitte des 19. Jahrhunderts. Und ich dachte Wurten stammen typischer Weise eher aus viel früheren Zeiten. Irrtum? Gab es eine vergleichbare Praxis noch so viel später? Andere ähnlich erhöht angelegte Flurstücke kenne ich in der Gegend nicht. Die im Moor überall zu findenden Höhenunterschiede durch den Torfabbau würde ich hiermit nicht vergleichen.

Ich schätze aufgrund der Geometrie, dass mindestens 1000 m3 Sand und Boden bewegt wurden mussten. Woher nahm man den Boden? Aufgrund der Oberflächengeometrie der angrenzenden Flächen könnte man meinen, der Sand käme von dort. Das ist aber nicht eindeutig. Außerdem würde das diese Flächen im Wert mindern. Welcher Nachbar würde das 1866 zulassen? Dort wurde zu der Zeit jeder Schnipsel Land bewirtschaftet - feucht oder nicht. Gibt es dokumentierte Transaktionen, wo ein Anbauer seinen Nachbarn (die ihre Höfe in höheren Dorflagen hatten, Sand und Boden zum auffüllen einer Wurt abgekauft hat? Hätte man sich 1000 m3 Erde per Kahn oder Karren kommen lassen? Oder müsste es sein, dass sich die angrenzenden Flächen zum Zeitpunkt der Aufschüttung noch nicht in privatem Besitz befanden oder ungenutzt waren? Dann ist die Wurt vielleicht doch viel älter als 1866?

Wann und auf welche Weise könnte so etwas angelegt worden sein? Aber mich interessiert auch alles andere, was Ihr zu diesem Thema sagen könnt: technisches, logistisches, historisches, ähnliches, wissenschaftliches oder persönliche Meinungen und natürlich Hinweise auf interessante Informationsquellen.


trocknen Fußes grüßt Euch,
Peter
Grundstuck1.jpg
Dateianhänge
bild01.jpg
Dietrich Maschmeyer
Senior Member
Senior Member
Beiträge: 767
Registriert: Mo 17. Feb 2003, 17:34

Re: Erhöht angelegtes Grundstück

Beitrag von Dietrich Maschmeyer »

Als Wurt würde ich das nicht bezeichnen. Im Moor reichten ja minimle Anhöhen aus, um ein Haus trocken zu stellen. Zunächst einmal wäre festzustellen, ob das Gelände wirklich aufgeschüttet wurde. Vielleicht besteht bei Erdarbeiten ja einmal die Gelegenheit, sich ein Profil durch das Gelände anzusehen. Darin müsste man das erkennen. Eine scharfe Geländekante kann natürlich auch durch entsprechende Abgrabungen entstehen.
Benutzeravatar
Stefan Haar
Globaler Moderator
Globaler Moderator
Beiträge: 888
Registriert: Sa 15. Feb 2003, 23:59
Wohnort: Wolfenbüttel
Kontaktdaten:

Re: Erhöht angelegtes Grundstück

Beitrag von Stefan Haar »

Möglicherweise wurde das an das Grundstück angrenzende Terrain einfach durch jahrzehntelanges Beackern und Pflügen eingeebnet, während sich der Boden im Schutz der Bäume durch Humusbildung eher noch erhöht hat?

Gruß

Stefan
AG-Bautechnik der IGB
Dipl.-Ing. Architekt

Beiträge im Forum können lediglich allgemeine Betrachtungen und daher reine Meinungsäußerungen sein. Bei konkreten Sanierungsproblemen ist eine Einzelberatung durch einen Sachkundigen vor Ort zwingend erforderlich.
Peterm
Nicht angemeldeter User
Nicht angemeldeter User

Re: Erhöht angelegtes Grundstück

Beitrag von Peterm »

Danke für Eure Gedanken hierzu.
Ich habe mittlerweile mit einem benachbarten Bauern gesprochen in dessen Besitz sich das Grundstück vor vielen Jahren mal befand (Nach der Jahrhundertwende hat anscheinend jeder der großen dort ansässigen Familien das Grundstück irgendwann mal besessen): Er sagt er hätte dort gepflügt und der Boden sei nicht aufgeschüttet, das würde man bei tiefen pflügen sofort sehen.
Eines ist trotzdem sicher: Auf natürliche Weise kann können die Kanten nicht entstanden sein. Dafür ist ihre Form & Verlauf entlang der Grundstücksgrenzen zu regelmäßig. Die Idee von Stefan Haar kommt auch nicht wirklich in Betracht, weil diese Grundstück seit eh und je beackert wurde, vermutlich sogar intensiver als die unbebauten Flächen ringsrum.
Hmm...
Andreas Imhoff
Newbie
Newbie
Beiträge: 12
Registriert: So 25. Jan 2009, 16:28

Re: Erhöht angelegtes Grundstück

Beitrag von Andreas Imhoff »

Poste doch mal einen Link zu Google-Maps in Luftbild-Sichtweise!
Von oben sieht man vielleicht mehr; es wurden schon einige archäologische Entdeckungen mit Luftbildern gemacht.
Die Eichen stehen da ja auch willkürlich in einer Reihe, die hat jemand mal gewollt so angepflanzt. Und die sehen aus, als wären sie von vor 1866....
Jens Paulsen
Junior Member
Junior Member
Beiträge: 44
Registriert: Di 24. Feb 2009, 17:41
Wohnort: Schweiz

Re: Erhöht angelegtes Grundstück

Beitrag von Jens Paulsen »

Das Haus könnte leicht nach Brand-Totalschaden neu aufgestellt worden sein, der Bauplatz aber ist womöglich viel älter. Geeignete Bauplätze wurden ja über Jahrhunderte immer wieder benutzt. Wenn eine alte künstliche Aufschüttung aus homogenem Material tief genug ist, würde man das dann beim Pflügen überhaupt merken?
Gibt es eine detaillierte geologische Karte des Gebietes? Daraus müsste ersichtlich sein, ob solche Strukturen natürlicherweise vorkommen.
Peterm
Nicht angemeldeter User
Nicht angemeldeter User

Re: Erhöht angelegtes Grundstück

Beitrag von Peterm »

Jens Paulsen hat geschrieben:Das Haus könnte leicht nach Brand-Totalschaden neu aufgestellt worden sein, der Bauplatz aber ist womöglich viel älter. Geeignete Bauplätze wurden ja über Jahrhunderte immer wieder benutzt.
Dass der Bauplatz älter als das Haus (bzw. dessen ältere Teile) ist, den Eindruck habe ich auch...
Schon klar, alles fröhliche-forsche Spekulationen ;-) Die Wissenschaftler unter Euch bitte ich um Nachsicht.
Jens Paulsen hat geschrieben: Wenn eine alte künstliche Aufschüttung aus homogenem Material tief genug ist, würde man das dann beim Pflügen überhaupt merken?
Ich glaube ein Fachmann sieht den Unterschied recht leicht, den Bauer, der jahrelang auf unterschiedlichen Böden gepflügt hat würde ich dazu zählen. Ich denke (Vorsicht: Laie spricht), gerade das Fehlen von diversen Schichten "gewachsener" Strukturen würde in einem allzu homogenen Aufbau auf mögl. Aufschüttung hinweisen (z.B. Ortstein, den gibts dort viel aber eben gar nicht homogen).
Jens Paulsen hat geschrieben:Gibt es eine detaillierte geologische Karte des Gebietes? Daraus müsste ersichtlich sein, ob solche Strukturen natürlicherweise vorkommen.
Nicht dass ich wüsste.
Interessant ist, dass die heutigen topographischen Karten in 1:25000 meiner Einschätzung im wesentlichen von denen der Preussischen Landesaufnahme von 1899 "abgemalt" sind - mit Ausnahme der Bebauung & Strassen natürlich. Die Schnitte sind identisch und auch die Höhenlinien (inkl. der offensichtlichen Fehler). Dazu können die Fachleute vielleicht etwas sagen. Ist das so, dass noch heute aus über 100-jährigem Kartenmaterial kopiert wird?? In der Preussischen Landesaufnahme ist das Grundstück schraffiert, so wie auch alle Gartengrundstücke innerhalb der Dörfer.
Antworten