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Was die Ur-Urgroßmutter noch wusste

Verfasst: Fr 21. Nov 2008, 22:20
von Ulrike Nolte
Hallo zusammen,

ich schmökere gerade in meinen uralten Kochbüchern, auf der Suche nach Weihnachtsgebäck anno dazumal und stoße auf einen ungeheuren Wissensschatz. Die Hausfrauen damals wussten mehr über Chemie und Physik (in Bezug auf Lebensmittel) als heute gelehrt wird.

Beispiel Speiseeis-Zubereitung um 1900:
Man nahm ein spezielles Gefäß - eine s.g. Gefrierbüchse mit einem Spundloch im Boden. Ein Topf im Topf sozusagen, wobei der kleiner Topf einen Deckel mit Griff hatte und für die Aufnahme der zu gefrierenden Masse bestimmt war.

In den äußeren, größeren Topf legte man auf den Boden ein Stück Roheis und stellte den inneren Topf darauf. Dann zerstieß man Roheis und füllte den Hohlraum zwischen den beiden Töpfen abwechslend mit dem zerstoßenen Eis und Salz und stampfte es lagenweise gut ein. Am besten nahm man Viehsalz.

Wenn der Hohlraum gut gefüllt war, legte man darauf ein Lage Tuch, damit die Kälte nicht so schnell entweichen konnte. Nach etwa einer Stunde wurde die Masse, die man gefrieren wollte, in den Innentopf gefüllt und der Deckel wurde geschlossen.

Anschließend wurde der innere Topf kontinuierlich 15 Minuten lang in eine Richtung gedreht. Dann wurde der Topf geöffnet, schon Gefrorenes mit Hilfe eines hölzernen Spatels von der Topfwand gekratzt und der Topf wieder verschlossen. Weitere 8 Minuten musste nun gedreht werden. Topf wieder öffnen, Gefrorenes von der Wand gekratzt, Topf schließen, wieder 6 Minuten drehen. Usw., bis die gesamte Masse zu Eis geworden ist und weiter verarbeitet werden konnte.

Man musste höllisch aufpassen, dass nichts von dieser Eis-Salz-Mischung in den Innentopf gelangte.

Fragen:

Wozu das Spundloch?

Wozu war das Salz gut? Und wieso nahm man Viehsalz?

Warum durfte nichts von der Eis-Salz Mischung in den inneren Topf gelangen?

Warum musste immer in ein und die gleiche Richtung gedreht werden?

Wer weiß es? ;)

Fortsetzung folgt ...

Grüße
Ulrike

Re: Was die Ur-Urgroßmutter noch wusste

Verfasst: Mi 25. Feb 2009, 16:56
von Jens Paulsen
Ich hoffe, die Antwort sei nach 3 Monaten immer noch von Interesse.
Eine Mischung von Eis und Kochsalz kühlt sich auf eztwa -20 Grad ab, weil das Salz das Eis auftaut, um sich darin aufzulösen, und die dazu erforderliche Wärme nicht von aussen kommen kann. Es gibt auch noch andere Kältemischungen.
Viehsalz ist billiger und tuts auch.
Durch das Spundloch kann man die Flüssigkeit ablassen, und Salz oder zerstossenes eis nachfüllen, wenn nötig.

Re: Was die Ur-Urgroßmutter noch wusste

Verfasst: Mi 4. Mär 2009, 02:34
von Ulrike Nolte
Hallo Jens,

solche Fragen sind grundsätzlich immer sehr interessant. Schon allein deshalb, weil sie heute fast niemand mehr beantworten kann (oder will?)

Ich mach es mir jetzt mal einfach und hänge einen Auszug aus besagtem Buch an. Das erspart mir die Schreiberei ;)

Nur eins ist noch etwas unklar: Warum immer in eine Richtung drehen?

Ich erkläre mir das so: Wenn man in eine Richtung dreht, legt sich das Gefrorene Schicht für Schicht übereinander. Dreht man zwischendurch in die entgegengesetzte Richtung, taut die schon gefrorene Masse wieder an weil Reibung entsteht. Den in etwa gleichen Effekt kann man beim Auftauen von Flüssigkeiten über Hitze beobachten. Drehe ich das Gefrorene immer in eine Richtung (z.B. mit dem Kochlöffel) ist es in wenigen Minuten aufgetaut. Rühre ich hin und her, dauert es länger weil die gesamte schon aufgetaute Flüssigkeit immer wieder komplett mit der noch kalten Flüssigkeit vermischt wird.

Ob ich damit richtig liege?

Beim Lesen dieser alten Schinken erstaunt es mich immer wieder, dass man mit den Dingen scheinbar ganz unbedarft umgegangen ist. Gerade lese ich über die Hausfärberei, Wäscherei und das Bleichen. Was da alles für Chemikalien verwendet wurden ..., heute würde man diese Stoffe nur noch mit Handschuhen, Schutzbrille, Atemmaske und Ganzkörperkondom ausgestattet anfassen.

Herzliche Grüße
Ulrike
gefrorenes.pdf
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Re: Was die Ur-Urgroßmutter noch wusste

Verfasst: Mi 4. Mär 2009, 09:25
von Jens Paulsen
Hallo Ulrike,
das mit dem Umgang mit Chemialien stimmt.

Anderes Beispiel: Bis in die 60er Jahre wurde Tetrachlorkohlenstoff als gutes, weil unbrennbares Haushaltlösungsmittel empfohlen.
Heute sieht man das zum Glück anders:
"Aufgrund der toxischen und krebserregenden Eigenschaften und auch der Ozonschicht schädigenden Wirkung, darf Tetrachlormethan nicht mehr verwendet werden. Die Anwendung als Feuerlöschmittel sowie als Entfettungs-, Reinigungs-, Lösungs- und Verdünnungsmittel ist aufgrund seiner Toxizität und seiner ungünstigen Umwelteigenschaften nur noch zu Forschungszwecken erlaubt.
Die Mischung von Eis und Salz ist ja noch vegleichsweise harmlos. Was es mit dem Einwegdrehen auf sich hat? Ausprobieren.

Aber - und das ist eigentlich ein Skandal - jede Firma darf immer noch beliebige Chemikalien und Medikamente tonnenweise in Verkehr bringen, solange die Schädlichkeit des Produktes nicht erwiesen ist. Und da es keine internationale Umweltschutzgesetzgebung gibt, ist dieser Nachweis in jedem Land einzeln zu führen und durchzusetzen. Will sagen, vieles, was in Deutschland schon lange nicht mehr zugelassen ist, wird in grossen Mengen in der Dritten Welt hergestellt und verkauft, DDT zum Beispiel.

Re: Was die Ur-Urgroßmutter noch wusste

Verfasst: Fr 6. Mär 2009, 20:07
von Ulrike Nolte
Jens Paulsen hat geschrieben:Will sagen, vieles, was in Deutschland schon lange nicht mehr zugelassen ist, wird in grossen Mengen in der Dritten Welt hergestellt und verkauft, DDT zum Beispiel.
Hallo Jens,

wem sagst Du das :o

Meldung von heute morgen: Unfall zweier LKW, einer hatte Gefahrgut geladen - Düngemittel, vom dem einige Fässer ausgelaufen sind.

Wir brauchen den ganzen Mist ja auch so dringend ...

Grüße
Ulrike